Michael, der Finne
überwältigten ihn seine eigenen Sorgen und seine Müdigkeit aufs neue.
Er brach in Tränen aus und sagte: »Michael, Michael, ich bin verloren! Mein Eifer für die Kirche hat mich zugrunde gerichtet. Meister Fuchs, mein verläßlicher Mitarbeiter, ein Zauberer! Zuerst konnte ich es nicht glauben und hielt es für eine Vorspiegelung des Teufels, eine Schwäche meines Gehirns; aber nun sind mir die Augen aufgegangen. Ich sehe nun die ganze Schwere und die Folgen dieser so entsetzlichen Geschichte.«
»Doch warum war Meister Fuchs dann ein so unerbittlicher Hexenverfolger? Warum verriet er sie? Man könnte ebensogut den Fürstbischof selbst verdächtigen. Meister Fuchs ist sein ergebener Diener.«
Pater Angelo wischte sich den Schweiß von der Stirn, schneuzte sich in seinen weiten Ärmel, sah unruhig um sich und erwiderte: »Meister Fuchs war als Stellvertreter des Teufels zweifellos mit der unmittelbaren Verfolgung und Verhaftung aller Hexen betraut, die aus irgendeinem Grunde seine Majestät, den Satan, beleidigt hatten. Von nun an werde ich es nicht mehr wagen, irgend jemand zu trauen. Selbst Euer Hinweis auf seine bischöfliche Hoheit beunruhigt mich, denn gestern abend benahm er sich mir gegenüber keineswegs so, wie es einem Kirchenfürsten geziemt.«
Ich fragte mißtrauisch, ob Meister Fuchs allein auf Grund von Barbaras Anklage überführt werden könnte, und er erinnerte mich, daß ihre Aussage durch das Gebaren des Hundes bekräftigt worden war. Überdies hatte eine nächtliche Haussuchung bei Meister Fuchs nur zu deutlich weiteres Beweismaterial zutage gefördert. Man hatte dort eine Wollpuppe gefunden, die vom vielen Gebrauch arg mitgenommen war; ferner einen bunten Vogel in einem Käfig, der wie ein Mensch redete und immerzu kreischte: »Eine Kanne Bier! Eine Kanne Bier!«, bis ihm einer der Suchenden, ein einfältiger Reisiger, den Hals umdrehte.
»Aber seine Hoheit der Fürstbischof ist sehr unzufrieden mit mir«, fuhr er fort. »Hauptsächlich deshalb, weil ich es versäumte, allen Anwesenden einen Eid abzunehmen, zu schweigen. Bald wird die ganze Diözese wissen und tuscheln, daß Meister Fuchs der Zauberei überführt worden ist. Der Bischof sagt, das werde der Kirche unausdenkbare Schande und Unehre eintragen und die Störungsversuche der Ketzer begünstigen; und schließlich drohte er mir mit einer Anzeige bei der Kurie. Mir blieb zuletzt keine andere Wahl, als ihn an die Vollmacht zu erinnern, die mir der Heilige Vater selbst übertragen hat. Das ernüchterte ihn glücklicherweise, und er sagte nichts mehr.«
Pater Angelo durchmaß nun das Gemach mit großen Schritten und rang die Hände.
»Michael, mein Sohn, Ihr wißt, ich suche nur die Wahrheit, und wenn Meister Fuchs wirklich ein Zauberer ist, so muß er als solcher verbrannt werden, ungeachtet weltlicher Verhältnisse und Ereignisse – obwohl ich erkenne, daß es, wie die Dinge heutzutage liegen, der Kirche mehr schaden als nützen wird. Die Kirche muß sich bei der Behandlung weltlicher Angelegenheiten stets einer gewissen Diplomatie befleißigen; doch die ist Sache der päpstlichen Legaten. Ich kann nur den Geboten meines Gewissens folgen, wohin sie mich auch führen mögen. Soll doch irgendein schlauer Legat den Knoten entwirren, den ich geschlungen habe, und ich will in den Klosterfrieden zurückkehren und dort arbeiten wie der niedrigste Laienbruder bis ans Ende meines Lebens.«
Mit einigem Zögern fragte ich ihn, ob er glaube, daß ein Geständnis auf der Folter alle dazugehörigen Mühen und Leiden wert sei.
Dies ließ ihn seine Schritte hemmen; er starrte mich an, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf, und fragte: »Michael, glaubt Ihr an Gott?«
Ich bekreuzigte mich und bekannte meinen Glauben.
»Dann müßt Ihr erkennen, welch schreckliche Sünde es wäre, eine Seele in die siedenden Kessel der Hölle fallen zu lassen, wenn sie durch körperliche Qualen – die im Vergleich dazu für nichts zu halten sind – für den Himmel gerettet werden kann. Wenn ich arme Menschen den Qualen der Inquisition unterwerfe, so wird mir meine schwere Aufgabe erleichtert durch die Überzeugung, daß ich ihnen den besten Dienst tue, den ein Mensch dem anderen erweisen kann.«
Ich bedauerte ihn in seiner ehrlichen Not und konnte ihn nicht hassen, sah ich doch, daß er in gutem Glauben handelte.
Ich fragte ihn, ob ich Barbara vor ihrer Hinrichtung wiedersehen dürfe; er verbot es aber streng und sagte: »Ich glaube an Eure Redlichkeit
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