Michael, der Finne
Nehmt mir die Börse aus dem Gürtel und besorgt mir Speise und Trank, denn ich bin halb verhungert, obwohl ich dachte, ich könnte keinen Bissen anrühren, so groß war meine Erbitterung und meine gerechte Empörung.«
Unter Berufung auf Pater Angelo befahl ich dem Schließer, die Hände des Kommissärs freizugeben. Der Mann murmelte etwas, drehte aber an den rostigen Schrauben. Gemeinsam hoben wir den oberen Balken des Stocks, damit der Gefangene seine Hände zurückziehen konnte. Er rieb sich die Gelenke, stieß ein paar grobe Flüche aus und zeigte uns, wie die Ratten während der Nacht seine Fingerspitzen angenagt hatten. Sie waren so wund, daß er seine engverschnürte Börse nicht öffnen konnte.
Ich half ihm, sandte den Beschließer nach Speise und Bier und sagte: »Es steht schlimm, Meister Fuchs. Man sammelt schreckliche Aussagen gegen Euch. Man nennt Euch den Statthalter und Oberpriester des Teufels, und nichts kann Euch vor dem Scheiterhaufen retten.«
Er bekreuzigte sich mit einem düsteren Fluch und versetzte: »Das habe ich befürchtet; ich glaube, ich muß des Teufels Brühe mit gutem Anstand schlucken. Aber bei meiner Seele, ich möchte wissen, was für Beweise man gegen mich erbracht hat.«
»Pro primo« ,entgegnete ich, »ist da das Zeugnis meines Hundes.«
»Und das ist der Dank dafür, daß ich versuchte, ihm das Leben zu retten! Ich glaube wirklich, das Tier ist trotz allem besessen.«
»Pro secundo das Zeugnis meines Weibes, ihr abgepreßt unter dem fünften Grad, wie Ihr wohl wißt.«
Darauf antwortete er nicht, sondern steckte das Ende seines Bartes in den Mund und begann, in fiebriger Erregung daran zu kauen.
»Pro tertio wurde, sorgfältig in Eurem Haus verborgen, ein Menschenbild aus Wolle gefunden, das offenbar zu teuflischen Zwecken verwendet worden war.«
»Das war eine Puppe – eine Puppe, die meiner kleinen Tochter gehörte, welche an den Blattern gestorben ist. Meine jüngste und liebste Tochter – sie hieß Margaretha – ich bewahrte sie auf zum Andenken …« Tränen erstickten seine Stimme.
»Ferner wurde in Eurem Haus gefunden ein Dämon in Gestalt eines sprechenden Vogels, der von den Reisigen des Bischofs eine Kanne Bier verlangt haben soll, von denen einer ihm im Schreck den Hals umdrehte. Dafür gibt es viele Zeugen.«
Meister Fuchs weinte noch bitterlicher und sagte: »Mein schöner Papagei! Haben die Kerle ihn umgebracht? Ich kaufte ihn von einem wandernden Spanier, der behauptete, er habe ihn in einer Stadt in Columbus’ Indien ergattert, wohin er mit einem Burschen namens Cortez gekommen sei – dort gebe es Pyramiden, so sagte er, und eine Million Menschen mit Federn auf dem Kopf … Aber ich habe noch andere Vögel, Michael. Wer wird sie jetzt füttern und tränken?«
»Das kann ich für Euch tun. Aber Ihr müßt einsehen, daß all diese Beweise gleich einer Lawine anschwellen und Euch erdrücken werden. Pater Angelo ersucht Euch, freiwillig zu gestehen, so daß er Euch nicht ungebührlich zu foltern braucht.«
Meister Fuchs dachte eine Weile nach, seufzte schwer und meinte schließlich: »Holt mir Feder, Tinte und Papier. Ich kenne mein Geschick und weiß, daß es unvermeidlich ist. Doch werde ich Trost finden, indem ich mich jeder Menschenseele erinnere, die mir je Böses zugefügt hat. Deren gibt es viele, Michael, denn das Leben eines bischöflichen Kommissärs ist kein Rosenbett. Ich will nun jeden anführen, der mich geschlagen, beim Handel oder mit falschen Würfeln betrogen, mir seinen Humpen ins Gesicht geschüttet oder sich auf andere Weise meinen Haß zugezogen hat. Vor allem werde ich seiner Hoheit des Fürstbischofs gedenken, der mich so niederträchtig meinem Schicksal überlassen hat, und vieler anderer kirchlicher Würdenträger, die Hand an meinen gerechten Anteil am Vermögen der Hexen gelegt haben. Ich habe vieles anzuführen, Michael Pelzfuß, und brauche daher Feder und Tinte. Ich bin nicht mehr jung und kann mich daher nicht mehr ganz auf mein Gedächtnis verlassen, und ich will keinen einzigen übergehen.«
»Jesus, Maria!« rief ich. »Meint Ihr, Ihr wollt den Fürstbischof selbst des Bundes mit dem Teufel beschuldigen?«
»Gewiß. Zuerst aber will ich gegen Pater Angelo aussagen, denn er ist es, der auf gemeine und heimtückische Weise dies Unglück über mich gebracht hat.«
Ich keuchte und preßte die Hände an die Stirn, um meine Gedanken wieder zu sammeln. Nun erst erkannte ich die ganze Tragweite der Angelegenheit. Ich
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