Michael, der Finne
zu verlassen und Frauen zu nehmen.
Die Ausschweifungen und sinnlosen Zerstörungen widerten mich an; mit diesen Wölfen konnte ich nicht heulen. Ich durchschritt die Kreuzgänge und ging ruhlos von einem Lagerfeuer zum anderen. Der Abschaum der Stadt hatte sich ins Kloster ergossen, um sich seinen Anteil an der Beute zu sichern. Einige entkleideten sich splitternackt, warfen sich in Meßgewänder und Dalmatiken und stolzierten zu Pfeifen- und Trommelklang einher. Es herrschten unbeschreibliches Getöse und Durcheinander.
Abseits an einem Feuerchen saß ein bedächtiger alter Bauer. Er besah die Malereien in einem alten Missale. Ich setzte mich zu ihm, weil er ruhig und nicht zu betrunken war. Sein Feuer hatte eine holzgeschnitzte Madonna teilweise verschont, deren trautes, unschuldiges Gesicht, das Künstlerhände vor Jahrhunderten gebildet hatten, mich aus verkohlten Augen vorwurfsvoll ansah.
Seit Jahrhunderten hatte dieses Kloster seine Schätze angehäuft und gepflegt. Des Menschen Hoffnung auf Vergebung und Erlösung hatte die besten Bildhauer, Maler, Silberschmiede, Weber und Sticker angespornt, die heilige Stätte zu schmücken. Und in einer einzigen Nacht hatte ein Haufen unwissender, blindwütiger Bauern alles vernichtet. Ich konnte mir das nur so erklären, daß die Kirche verweltlicht war und Gott die Menschen zu ihrem ursprünglichen, einfachen Glauben an die Erlösung allein durch Christi Blut, ohne die Vermittlung habgieriger Priester und Mönche oder eitler Bildwerke und Reliquien, zurückführen wollte. Als ich aber das erbärmliche Benehmen dieser Bauern beobachtete, konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, Gott hätte bessere Apostel finden können.
Der Bauer neben mir begann die Bilder aus seinem Missale zu reißen und meinte: »Ich bin ein einfacher Mann und kann weder lesen noch schreiben; auch sollte man alle Bücher, ausgenommen die Bibel, lieber verbrennen; aber diese Malereien sind schön, und ich will sie meinen Kindern heimbringen, damit sie auch Bilder ansehen können wie die Fürstenkinder.«
Er faltete sie sorgfältig zusammen und steckte sie in die Börse an seinem Gürtel, warf dann das Missale in das verlöschende Feuer und stieß mit dem Fuß das hölzerne Antlitz der Madonna nach.
»Laßt uns in Gottes Namen schlafen«, sagte er. Dann bekreuzigte er sich und legte sich auf den Boden; den Sack mit seinem kargen Proviant und seiner Beute verwendete er als Kopfkissen.
Am nächsten Tag drangen sie in den Palast des Bischofs ein und plünderten ihn nach kaum nennenswertem Widerstand. Ja, die Wachen machten bald freudig gemeinsame Sache mit den Bauern, aus Angst, mit des Bischofs Farben auf dem Leib würden sie niemals lebend durch das aufgestörte Land entkommen, selbst wenn es ihnen gelang, aus der Stadt zu fliehen.
Jürgen Knopf war erbittert, als er die Schatztruhen leer und die meisten Wertgegenstände nicht mehr vorfand. »Nun müssen wir um jeden Preis jenes Rabennest überfallen und einnehmen, denn wir können nie hoffen, unsere Verwandten in der kaiserlichen Armee für uns zu gewinnen, wenn wir sie nicht reichlich entlohnen können.«
Er sammelte seine Streiter und ließ seine Geschütze auf den Hügelkamm ziehen. Die Kanoniere richteten ein schweres Bombardement gegen die schwächste Stelle in der Mauer. Trotz ihres gewaltigen Aussehens waren diese Mauern aus weichem Stein und bröckelten leicht ab. Allein des Bischofs Kanoniere und Armbrustschützen erwiderten unser Feuer. Als die Angreifer die Kugeln pfeifen hörten und den Staub aus den Furchen, die sie im Boden gerissen hatten, aufwirbeln sahen, zögerten sie und hätten gern von diesem Wespennest abgelassen, um ergiebigere Jagdgründe aufzusuchen.
Ich stand unter den anderen Arkebusieren, trieb meine Büchsengabel in den Boden, lud und feuerte mehrere Schüsse ab, obwohl meine Waffe so heftig stieß, daß ich fürchtete, sie würde mir die Schulter ausrenken. Des Kugelregens nicht achtend, erschien der Fürstbischof in silberglänzender Rüstung auf dem Wall. Er stampfte und brüllte und stieß so fürchterliche Verwünschungen aus, daß wir schon Schwefel zu riechen meinten. Wir trafen ihn nicht, obwohl die Kanonen und Arkebusen zusammen etwa zehn Schuß abfeuerten. Jürgen Knopf gefiel des Fürstbischofs Grimm gar wohl; er meinte, das sei ein Zeichen, daß er in die Enge getrieben sei.
Er sandte dann einige Reisige und Lakaien Seiner Hoheit ins Schloß hinauf, um seine Aufforderung zur unverzüglichen
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