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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Übergabe zu überbringen; die Belagerer, so erklärte er, seien nur die Vorhut. Zehntausend Pikeniere und schweres Belagerungsgeschütz aus der Eidgenossenschaft seien unterwegs. Er hieß die Herolde auch sagen, Frundsberg habe sich mit den Bauern vereinigt, die Fürsten seien entflohen und Jürgen von Truchseß’ Truppen seien bis auf den letzten Mann geschlagen. Würde das Schloß nicht sogleich übergeben, so könne Jürgen Knopf nicht für das Leben der Verteidiger einstehen, denn die erzürnten Bauern würden gewiß so grausame Rache üben, daß niemand verschont bliebe.
    Die Boten machten ihre Sache gut, denn in jener Nacht brach im Schloß eine Meuterei aus. Wir hörten Lärm und einige Schüsse; dann fiel die Zugbrücke donnernd herab. Es war den Meuterern gelungen, die Ketten zu beschädigen, so daß die Brücke nicht wieder hochgezogen werden konnte. Doch brachte es der Bischof fertig, die Ordnung wiederherzustellen, und am nächsten Morgen flog eine Anzahl Leichen in den Schloßgraben.
    Die herabgelassene Zugbrücke hatte jedoch das Tor freigegeben, und die Stückmeister versuchten, ihr Feuer darauf zu richten. Es war aber ein gutes Stück innerhalb des Torbogens eingebaut, und die Vorwerke hinderten uns daran, unsere Geschütze weiter nach vorne in bessere Stellungen zu schaffen.
    Jürgen Knopf murmelte: »Wenn wir nur einen Tapferen unter uns hätten, der eine Petarde an das Tor nagelte, so gehörte die Festung heute noch uns. Ich will tausend Gulden von des Bischofs Geld dem geben, der dort eine Petarde anbringt und abfeuert – und tausend Gulden sind mehr Geld, als ihr alle je gesehen habt. Die Sache wäre schneller vorbei, als man ein Credo beten kann. Das ist die Gelegenheit eures Lebens, gute Freunde und tapfere Soldaten!«
    Aber die alten Krieger schüttelten die Köpfe und lachten: »Tausend Gulden nützen einem Toten nichts, wie du wohl weißt, Jürgen Knopf, du alter Fuchs!«
    Ich hatte während dieses Gesprächs einen Bauern betreut, dem eine Kanonenkugel das rechte Bein am Oberschenkel abgetrennt hatte. Sein Gesicht war aber schon blaugrau, und ich wußte, daß er im Sterben lag; so mischte ich mich unter die Soldaten.
    »Was ist eine Petarde?« fragte ich.
    »Stellt Euch einen eisernen Kessel vor«, erwiderten sie, »der natürlich viel stärker ist als ein gewöhnlicher. Ihr füllt ihn mit Pulver und befestigt an den Henkeln quer über dem Kessel eine starke Eichenplanke. Dieses Brett hat Löcher an beiden Enden, durch die man große Nägel in das Tor schlägt, so daß die Petarde daran wohl befestigt ist. Dann brennt Ihr den Zünder an, und das Tor fliegt in Stücke.«
    Ich trat an Jürgen Knopf heran.
    »Wollt Ihr mir wirklich tausend Gulden geben, wenn ich jenes Tor in die Luft sprenge?«
    Er sah mich von der Seite an und wiegte seinen schweren Kopf hin und her, schwor aber beim heiligen Blut, sein Versprechen zu halten, wenn ich die Petarde anbrächte und den Zünder ansteckte. Die alten Soldaten scharten sich um mich und priesen um die Wette meinen Mut; ich erkannte aber, daß sie mich für verrückt hielten und überzeugt waren, ich würde nicht zurückkehren. Ich aber hatte meine besonderen Gründe, es zu versuchen. Als jener stämmige Bauer in meinen Armen seinen letzten Seufzer tat und mit seinen Schwielenhänden an seiner Brust zerrte, hatte ich eine Offenbarung. Ich hatte nach den vielen Sorgen und den widerstreitenden Gedanken, die mich an den Lagerfeuern im Klostergarten heimgesucht hatten, das Leben satt. Ich hatte mich selbst satt, und hier bot sich, wie mir schien, eine Gelegenheit, Gott selbst über mein ferneres Schicksal entscheiden zu lassen. Wenn es Seine Gerechtigkeit nicht gab, so galt mir Leben und Sterben gleich, war ich doch dann nicht mehr als ein seelenloses Tier.
    Aber ich hatte heillose Angst. Das Pfeifen jeder einzelnen Kugel ließ mich verstört beiseite springen, und mir brach der Angstschweiß aus, wenn ich das Schloßtor und den Rauch, der aus den Türmen zu beiden Seiten emporstieg, auch nur betrachtete.
    Als die Kanoniere erkannten, daß es mir ernst war, liefen sie zu ihren Wagen und holten mir eine Petarde. Sie hatten drei mitgebracht. Die eine, die sie auswählten, war überaus schwer, aber ganz einfach konstruiert. Die Kanoniere maßen eine kurze Zündschnur ab, die so lang brennen würde, als man brauchte, um eilends ein Vaterunser zu beten, um mir Zeit zu geben, vor der Explosion davonzukommen. Jürgen Knopf versprach, er wolle seine tapfersten

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