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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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solchen Zug heim und bemerkte: »Ich hätte nie gedacht, mich eines Tages in der Gesellschaft marodierender Verbrecher zu finden. Wenn Kerle von diesem Schlag der Welt Gottes Gerechtigkeit bringen sollen, dann kann ich nicht mehr an einen gerechten Gott glauben.«
    »Was wollt Ihr tun?« fragte ich ihn.
    Er erwiderte: »Ich will zu meinem Vater nach Memmingen zurückkehren, und diese Schurken hier sollen ihre zwölf Artikel anwenden, wie sie wollen. Ich habe lange genug gegen den Willen meines Vaters gekämpft, und die Bibel heißt uns Vater und Mutter ehren. Wenn mein guter Vater immer noch wünscht, daß ich die Rechte studiere, so werde ich ihm wohl gehorchen und die Universität Bologna beziehen, denn der Krieg in Italien ist vorbei.«
    »Ihr habt leicht so reden!« versetzte ich. »Ihr könnt in guter Ordnung nach Hause und in die Arme eines reichen Vaters zurückkehren. Wo aber bleiben meine hundert Gulden?«
    »Die habt Ihr dem Drucker aus freien Stücken gegeben! Ich sehe, Ihr seid wie die anderen und denkt nur daran, wie Ihr Euren Beutel und Euren Magen füllen könnt – und Ihr braucht auch kein so saures Gesicht zu machen und mir vorzuwerfen, daß ich gehe. Dieser Pöbel kann nichts erreichen. Einst hatten sie ehrliche Bauern von gutem Ruf als Führer und hörten auf gebildete, verständige Männer wie mich. Nun aber folgen sie Schustern, Schneidern, Dieben, Raufbolden und herrenlosen Söldnern, die für zwei Kreuzer die eigene Mutter verkaufen und die zwölf Artikel mit Füßen treten würden. Ich rate Euch, zu fliehen, solange Ihr könnt, denn daraus kann nichts Gutes werden.«
    Da lachte ich laut heraus. Mein Blick glitt über sein hübsches Gesicht, seine braunen Augen und das beschmutzte Samtwams mit den Silberknöpfen, und ich schämte mich meiner Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht – schämte mich, daß ich den Burschen da für meinen Freund gehalten hatte, wo er doch nichts als der verzogene Sohn eines reichen Mannes war – ein Knabe, der gewöhnt war, Hahn im Korb zu sein und die anderen seinen Launen gefügig zu sehen.
    So antwortete ich denn: »Nein, Sebastian, ich werde nicht davonlaufen. Wohin sollte ich übrigens gehen? Meine einzigen Freunde sind ein kleiner Hund und diese gute Büchse hier. Obwohl ein Fremder, stamme ich doch von einem standhaften Menschenschlag, und wenn ich einmal ein Verräter war, so ist einmal genug. Von nun an werde ich mit den Wölfen heulen; ich habe lange genug zu Euren Füßen wie ein Lamm geblökt. Mag sein, daß Wölfe eine neue Ordnung herbeiführen; Schafe werden das nie können, wie Ihr mir bewiesen habt.«
    So trennten sich unsere Wege und ging unsere Freundschaft in Brüche. Sebastian verließ das Lager und kehrte heim, und ich vernahm auch bald den Grund für seinen Gesinnungswechsel. Sein Oberbefehl war angefochten worden; die kriegserfahrenen Soldaten hatten ihn satt bekommen und ihm bedeutet, das Maul zu halten und sich nicht in Dinge zu mischen, die er nicht verstehe. Als er aber nicht schweigen wollte, hatten sie ihn auf den Mund geschlagen und mit den Lanzenschäften verjagt. Daher weigerte er sich, noch länger mit Räubern gemeinsame Sache zu machen, und sagte ihnen ein schlimmes Ende voraus.
    Als Sebastian weg war, bekam ich meinerseits Ulrich Schmid satt, der in der Tat ein langweiliger, weinerlicher Geselle war, und schloß mich Jürgen Knopf, dem Führer der Allgäuer an.
3
    Besagter Jürgen Knopf war ein spindeldürrer Kerl, dessen großer Kopf auf einem dürren Nacken wackelte, als sei er voll Wasser. In seinem Hirn aber war keine Spur von Wasser; er wußte genau, was er wollte, und sein Überfall auf die Residenz des Fürstbischofs war kein unbesonnener Handstreich. Er wählte seine besten Leute aus und nahm einige Feldschlangen mit, die er in benachbarten Schlössern erbeutet hatte, dazu genug Pulver und Munition, um Breschen in die Mauern Seiner Hoheit zu schießen.
    »Ich kenne den Gefängnisturm nur zu gut«, meinte er, als wir nebeneinander ritten, »und wäre einmal beinahe dort gehenkt worden. Seit hundert Jahren kämpfen die Bauern dieser Diözese um ihre Rechte und haben alles verloren. Der jetzige Bischof aber ist schlimmer als alle früheren. Er macht sich nichts daraus, einen Mann eigenhändig halb zu erwürgen und ihn beinahe zu Tode peitschen zu lassen. Nun will ich zur Abwechslung einmal ihm an die Gurgel. Das wird der glücklichste Tag meines Lebens sein; was dann mit mir geschieht, ist mir gleich.«
    Dann neigte er

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