Michael, der Finne
Männer mit einem eisenbeschlagenen Rammbalken bereithalten, die sogleich vorstürzen und die Reste des Tores zertrümmern sollten.
Ein freundlicher Söldner begann Harnisch und Beinschienen abzuschnallen, damit ich sie anlege und vor dem feindlichen Feuer einigermaßen geschützt sei. Ich hatte aber das Gewicht der Petarde geprüft und erkannt, daß das allein schon beinahe mehr war, als ich tragen konnte. Meine einzige Hoffnung, durchzukommen, lag in einem todesverachtenden Lauf auf das Tor. Ich steckte einen kurzen Schmiedehammer und zwei große Eisennägel in den Gürtel, nahm die brennende Lunte zwischen die Zähne, hob die Petarde auf und rannte aus den Geschützstellungen auf den Eingang zu.
Ich hatte nur etwa einhundertfünfzig Schritte zu laufen; gebückt unter meiner Last, schien mir der Weg lang genug. Auf halbem Weg war ich außer Atem, der Puls hämmerte mir in den Schläfen, und oben von den Mauern kam das pausenlose feindliche Feuer, da die Verteidiger mich aus allen Waffen, die sie einsetzen konnten, beschossen. Rings um mich wirbelte der Staub auf, aber mehr als Pulver und Kugel fürchtete ich die Pfeile, die mich wie Hornissen umschwärmten, denn mit der Armbrust zielt man weit genauer als mit der Hakenbüchse.
Jürgen Knopf und seine Männer aber richteten schweres Feuer gegen die Wälle, um die Verteidiger abzulenken und außer Gefecht zu setzen, und ich erreichte zu meinem Erstaunen den Eingang und konnte mich kriechend in Sicherheit bringen, wie ich dachte. Als ich eben den schützenden Torbogen erreichte, schütteten die Männer von oben Kessel voll siedenden Bleis herab, wovon einige Tropfen vom Boden wegspritzten und mir die Beine verbrannten. Ich war aber so erschrocken, daß ich dies erst viel später bemerkte, obwohl jene Bleitropfen mich auf Lebenszeit versengten.
Als ich das Tor näher untersuchte, bemerkte ich zu meinem Entsetzen, daß die Mauer zu beiden Seiten Schießscharten aufwies. Als ich die Petarde aufhob, um sie ans Tor zu nageln, schob sich der Lauf einer Hakenbüchse heraus und richtete sich auf mich. Ich ließ die Petarde fallen und warf mich an die Mauer neben dem Schlitz, als der Schuß auch schon erdröhnte. Da erschien ein zweiter Lauf in der Schießscharte gegenüber.
Ich sprang von einer Seite zur anderen, und der kalte Schweiß brach mir aus allen Poren. Allmählich aber wurde ich des Spieles überdrüssig und dachte, wie erbärmlich es um mich bestellt sein mußte, wenn ich Gottes Ratschluß so zu entkommen trachtete. Ich ergriff aufs neue meine Petarde und nagelte sie, ohne umzublicken, mit donnernden Hammerschlägen ans Tor. Die Angst verlieh meinem Arm solche Kräfte, daß die Nägel in das feste Holz wie in Butter eindrangen. Ein Schuß von hinten riß ein faustgroßes Loch neben meinem Kopf in das Tor. Ich nahm die brennende Lunte aus dem Munde und brannte den Zünder an. Als er knisterte und mir die Schwefeldämpfe zu Kopfe stiegen, bekreuzigte ich mich und stürzte ins Freie hinaus.
Ich glaube, niemand hatte erwartet, mich lebend herauskommen zu sehen, denn ich lief fünfzig Ellen weit, bevor jemand auf mich feuerte. Da gab es einen Krach, lauter als jeder Kanonenschuß, und Jürgen Knopfs tapfere Leute rannten mir entgegen, einen Rammbock zwischen sich und gefolgt von einer Schar Pikenieren und Arkebusieren, alle brüllend vor Angst und Wut. Ich mußte umkehren und wie ein gehetztes Wild wieder zum Eingang laufen, um nicht niedergetrampelt zu werden. Das tat ich gar widerstrebend, meinte ich doch, Schonung verdient zu haben. Von den Türmen des Torhauses regnete es geschmolzenes Blei und siedendes Pech, und die Männer am Rammbock stießen Angst- und Schmerzensschreie aus. Mir aber blieb nichts übrig, als blindlings vor ihnen herzulaufen, als führte ich den Angriff an, während ich doch in Wahrheit nichts anderes wollte, als ihnen aus dem Weg gehen,
Die Petarde hatte die eisenbeschlagenen Balken weggerissen, und wenige Stöße mit dem Widder beseitigten die Doppeltüren und gaben den Blick auf den Hof frei, der als heller Fleck am Ende des gewölbten Ganges sichtbar wurde. Jauchzend ließen die Männer den Rammbock fallen und stürzten durch die Einfahrt, und ich mit ihnen. Es blieb uns auch keine andere Wahl, folgten uns doch die scharfen Piken auf dem Fuß. Wir hatten jedoch kaum den Hof erreicht, als wir hinter uns ein furchtbares Krachen vernahmen. Ein starkes, eisernes Fallgitter war niedergegangen, und wir saßen in der Falle. Da wir nicht
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