Michael, der Finne
sein schweres Haupt und sagte mit schlauem Lächeln: »Ich kann Euch im Vertrauen eröffnen, Michael Pelzfuß, daß ich Boten nach Thüringen und Böhmen gesandt habe und das beste Pferd in dieser ganzen Gegend unter meinem Stellvertreter nach Pavia und Mailand unterwegs ist, wo dieser mit Frundsbergs Landsknechten verhandeln soll. Das sind unsere Verwandten und Landsleute; sie müssen erfahren, was hier vorgeht. Wenn sie mit uns gehen, haben die Fürsten ausgespielt. Aber wir werden viel Geld brauchen, sie zu entlohnen, und dieses Geld will ich mir vom Bischof holen.
Ulrich Schmid ist ein Narr«, fuhr er fort. »Er versteht nicht, daß, wie die Dinge heute liegen, nur Morden, Gewalttat und Plündern unsere Streitkräfte zusammenschweißen können. Nichts bindet stärker als gemeinsame Verbrechen, denn da gibt es kein Zurück, und nur Folter und Galgen erwarten den, der die Waffen wegwirft und an der Fürsten Milde appelliert.«
In seinen Worten lag zweifellos ein wahrer Kern, obwohl mein Gewissen mir sagte, daß Mord, Brandlegung und Diebstahl kaum die geeigneten Mittel waren, Gottes Gerechtigkeit auf Erden herbeizuführen.
Ich erkannte, daß ich mich in fragwürdiger Gesellschaft befand. Doch wir näherten uns nun der Stadt, und beim Anblick jener wohlbekannten Türme, die in den blauen Märzhimmel ragten, brannte mir das Herz im Leibe, und ich verachtete meine Gesellen nicht mehr und meinte, Gott könne wohl auch unwahrscheinliche Mittel zu seiner Rache verwenden. Ein Jahr war vergangen, seit Barbara und ich im gelbgestrichenen Hexenkarren in diese Stadt eingefahren waren.
Von den Mauern fielen ein paar Schüsse, und weiße Rauchwölkchen hingen im Nebel. Jürgen Knopf aber hatte gut vorgebaut, denn Lehrlinge und ärmere Städter huben zur rechten Zeit auf dem Marktplatz zu rumoren an und jagten so dem Rat, der selbst den Bischof nicht sonderlich liebte, gehörigen Schrecken ein. Bevor wir noch einen Schuß abgegeben hatten, ließen die Ratsherren uns die Tore öffnen; sie schimpften auf Seine Hoheit und liehen uns sogar mehrere Feldschlangen zur Belagerung seines Palastes. Zu unserem Schmerz aber erfuhren wir, daß der Kirchenfürst die Stadt verlassen und in einer Festung auf einem nahen Berg Zuflucht gefunden hatte; seinen eigenen Schatz und auch die kostbarsten Klostergüter hatte er mitgenommen.
Der gute Jürgen Knopf aber ließ sich das nicht verdrießen. »Eins nach dem anderen«, meinte er und zog an der Spitze seiner Truppen zum Kloster, das ich so gut kannte. Hier ereignete sich ein Schauspiel von grimmigster Zerstörung, Räuberei, Fraß und Suff und Ausschweifung, wie ich es noch nie erlebt hatte. Zuerst rollten sie alle Bier- und Weinfässer aus den Kellern auf den Klosterhof, und als die Eindringlinge den ärgsten Durst gelöscht hatten, strömten sie in die Kirche und warfen die goldgestickten Meßgewänder und Altartücher auf den Boden. Der kostbare Reliquienschrein wurde erbrochen. Frauen stießen die heiligen Gebeine mit den Füßen vor sich her, und die mutigsten unter den Männern brachen die goldenen und silbernen Verzierungen ab und hämmerten sie flach. Mittlerweile leerten andere, mit Netzen bewaffnet, die Fischweiher. Die erlesensten Holzschnitzereien und Statuen wurden zu Brennholz zerhackt, und bald sotten die großen Karpfen in Weihwasserbecken und Taufbecken, die man in den Hof hinausgetragen hatte. Aber das trockene Holz brannte wie Zunder, und Trunkene stürmten die Klosterbibliothek, um mit kostbaren Büchern, Manuskripten und zahllosen Pergamentrollen ihr Feuer zu schüren.
Als ein weißhaariger alter Mönch sah, was diesen seltenen Schriften widerfuhr, geriet er so in Wut, daß er ein Kruzifix von der Wand riß und auf die Plünderer eindrang. Die Tränen liefen ihm über die Wangen. Er hieb auf sie ein, während er alle Heiligen um Beistand anflehte. Es gelang ihm, einige von ihnen abzuwehren, denn sie waren im innersten Herzen gute Kerle und wollten ihn nicht verletzen, wenngleich sie über seinen heiligen Eifer lachten. Als aber Jürgen Knopf davon hörte, stürzte er in die Bibliothek und fällte den Alten mit einem einzigen Schwerthieb, so daß er in seinem Blut lag. Nun hielt nichts mehr die betrunkenen Soldaten ab, die Ketten, mit denen die Bücher an den Pulten befestigt waren, zu brechen. Die Brüder flohen entweder oder boten geschäftig ihre Dienste an, bekannten sich als geheime Anhänger Luthers und erklärten ihren Entschluß, so früh wie möglich das Kloster
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