Michael, der Finne
Ich wollte ehrlich mit ihm ringen, aber er schlug mich ins Gesicht, bis ich mich setzen mußte, weil mir der Schädel wie ein Wespennest brummte. Er zeichnete mich mit seinen Klauen. Daher verlor ich die Beherrschung, obwohl ich von Natur ein ruhiger Bursche bin, erwischte ihn an der Pranke und drehte sie um, bis er vor Schmerz brüllte und den Weg hinunterfloh. Ich folgte ihm und brüllte noch lauter als er – ich hatte ja solche Angst –, und er kletterte auf einen Baum, um sich vor mir zu retten. Ich schüttelte den Baum, bis er herunterfiel, und dann drosch ich ihm mit einem Stein den Schädel ein. Hierauf zog ich weiter nach dem Dorf, das Bärenfell um die Schultern, und begann meine Arbeit in der Schmiede. Aber der Schmied warf mich bald hinaus. Und hier bin ich nun.«
Nachdem er seine Geschichte beendet und seine Tränen getrocknet hatte, rief Jungfer Pirjo aus: »Du hältst uns doch nicht zum besten, nicht wahr, Andy Karlsson?«
Er sah sie mit vor Staunen aufgerissenen Augen an und fragte: »Warum sollte ich über so etwas lügen? Außerdem war er ein stattliches Männchen, und ich behielt seinen Geschlechtsteil – man sagt, die Zauberer bezahlen schweres Geld für solche Dinge und gebrauchen sie zu allen möglichen schwarzen Künsten.«
Er zog das Organ aus seinem Ranzen. Ich hatte noch nie eins gesehen, und es stach mir in die Augen, aber Jungfer Pirjo kam mir zuvor und riß es an sich mit den Worten: »Dafür will ich dir so viel zahlen wie jeder andere – so viel du forderst –, denn es ist ausgezeichnet für, Liebestränke, und man weiß nie, wenn man es brauchen kann.«
Andy sprach: »Nehmt es als Geschenk, edle Frau, und helft mir lieber mit Eurem Rat; denn wenn ihn einer braucht, so bin ich es.«
Aber Jungfer Pirjo widersprach mit Wärme.
»Die Jungfrau und alle Heiligen mögen verhüten, daß ich aus deiner Einfalt Gewinn ziehe. Wir stehen in deiner Schuld. Der heilige Nikolaus selbst muß dich geschickt haben, Michael in seiner Not beizustehen, und er will euch fürs Leben aneinanderbinden. Du darfst heute hier schlafen, und ich werde dir Nahrung und Kleidung beschaffen, während wir beraten können, wie du und Michael am besten einander dienen könnt.«
»Da gibt es nichts zu beraten!« rief ich aus. »Meister Schwarzschwanz hat einen Schmiedemeister angestellt, der Gehilfen braucht; sie brauchen nicht ausgelernt zu sein, da der Schmied selbst erst unter der Anleitung meines Meisters die Kunst, Kanonen zu schmieden, erlernen muß.«
Von nun an war Andy Karlssons Schicksal mit dem meinen unzertrennlich verbunden.
9
Dieser Vorfall ereignete sich im Jahre 1517, das, wenn ich heute zurückdenke, für die Welt das letzte glückliche Jahr und für mich selbst die glücklichste Zeit war, obwohl die giftige Saat, welche die Menschheit ins Verderben stürzen sollte, schon im Keimen war. Den ersten Hinweis auf die kommenden Dinge erhielt ich aus einem Gespräch zwischen Meister Laurentius und Pater Petrus im Hause Jungfer Pirjos.
Pater Petrus führte aus: »Die Stände Schwedens haben unseren hochwürdigsten Erzbischof von seinem heiligen Amt abgesetzt Derartiges ist in diesem unserem Reich unerhört, und ich wage mir nicht auszumalen, was der Heilige Vater in Rom dazu sagen wird.«
»Darüber brauchen wir uns die Köpfe nicht zu zerbrechen«, erwiderte Meister Laurentius und rieb sich voll Genugtuung die Hände. »Das Königreich wird unter das Interdikt gestellt werden: keine Taufe, keine Sakramente, keine eheliche Verbindung, und die Kirchen werden geschlossen sein. Das ist schon bei geringeren Vergehen vorgekommen.«
Hier schaltete ich mich ins Gespräch ein und bemerkte: »Fern sei es von mir, eine gottlose Handlung zu verteidigen, aber ich habe aus verläßlicher Quelle gehört, daß Seine Gnaden der Erzbischof ein überzeugter Parteigänger der Union und somit ein Landesfeind ist. Wir haben mit dem Zaren einen dauernden Frieden geschlossen und ihn mit einem Kuß auf das Kreuz besiegelt, daher ist Dänemark nun unsere einzige Gefahr. Und wir wissen, daß Gefahr im Verzug ist, denn wir erzeugen Schießpulver und schmieden Kanonen, wie ich selbst bezeugen kann, der ich diesen ganzen Sommer vom ersten Hahnenschrei bis zur Vesper geschuftet habe, um die Landesverteidigung zu verstärken – wenngleich mir niemand dafür Dank weiß.«
»Ehr und Lohn der Welt sind nur eitel«, versetzte Pater Petrus fromm. »Am Jüngsten Tag werden wir nach unseren eigenen Verdiensten gewogen und gerichtet
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