Michael, der Finne
Und doch sagt man mir, mein Hoffen und Mühen sei vergeblich. Ich habe schon versucht, ins Kloster einzutreten, so daß ich nach dem einjährigen Noviziat den schwarzen Habit nehmen und der Kirche mein Leben lang dienen könnte, aber Pater Petrus hat mir davon abgeraten. Er meint, im Kloster hätte ich nur die Stelle eines Laienbruders zu erwarten – wenn ich überhaupt aufgenommen würde –, da ich keine irdischen Güter besitze, auf die ich verzichten könnte.«
»Michael«, versetzte Magister Martinus ernst, »wer redet aus dir: der Herrgott oder der Teufel?«
Seine Frage verwirrte mich. Er ließ mich eine Weile nachdenken und fuhr dann fort:
»Du bist ein begabter Junge, aber deine Neigung, dich unbekümmert in die tiefsten Dinge zu stürzen und Fragen zu stellen, die den Gelehrtesten verwirren können, hat mir viel Sorgen gemacht. Ich glaube, in dir ist nicht christliche Demut, sondern ein höchst verdammenswerter Stolz am Werke, wenn du in der Disputation deinen Präzeptor in seinen eigenen Worten wie in Schlingen zu fangen und ihn zu beschämen versuchst, wie neulich bei der Geschichte von Jonas und dem Walfisch.«
»Pater Martin, ich bin nicht so schlecht, wie Ihr meint, und mein Herz ist weich wie Wachs. Gewährt mir Hoffnung, und ich will mich bessern; ich will barfuß im Schnee gehen und Woche für Woche fasten, um Eures Segens würdig zu werden.«
Er seufzte schwer, doch als er wieder zu sprechen anhob, lag ein zorniger Ton in seiner Stimme.
»Ich zweifle nicht, daß du alles tun würdest, um deinen krankhaften Ehrgeiz zu befriedigen und deine Kameraden zu übertrumpfen. Jahr um Jahr habe ich auf ein Zeichen von oben gewartet, das mir deinen richtigen Platz im Leben weisen sollte, aber keines wurde mir zuteil. Jahre vergehen, deine Abkunft gerät immer mehr in Vergessenheit, und bald wird niemand mehr leben, der deine Mutter noch gekannt hat. Ist es nicht am besten für dich, wenn du den dir vorgezeichneten Lebensweg beschreitest und lernst, eine weltliche Stelle in Ehren auszufüllen?«
»Ihr stoßt mich also aus, Pater?« rief ich in großer Angst, denn die Schule war der einzige feste Halt in meinem Leben, und ich fürchtete mich trotz allen Murrens, sie verlassen zu müssen.
»Ich stoße dich nicht aus, du halsstarriger Kerl! Im Gegenteil, ich habe immer eine unvernünftige Neigung für dich empfunden, weil deine Leidenschaft für Bücher und dein feuriger Enthusiasmus mich an meine eigene Jugend erinnern. Der Pfad der Gelehrsamkeit ist mit Dornen übersät. Ich mußte mein Erbe verkaufen, um an der Universität Rostock studieren zu können; doch war mein Wissensdurst so brennend, daß mir kein Opfer zu groß war. Daher verstehe ich dich, Michael. Aber sieh mich heute an und sieh, was daraus geworden ist: Ich bin nur ein übellauniger Greis, der vom vielen Lernen in seiner Jugend bald erblinden wird. Im Tode wird mein einziger Trost der sein, der jeder Seele, Priester wie Laien, geboten wird, das heißt, die Letzte Ölung und die Vergebung der Sünden. Darin bin ich nicht besser als der geringste Kuhhirt, trotz aller meiner Talente. Und zu deinem eigenen Besten sage ich dir: Du gewinnst nichts, indem du dich so verzweifelt an die Wissenschaft klammerst. Es wäre weiser, wenn du dich bescheiden deinem Schicksal unterwürfest, dich irgendwelchen nützlichen Schreibarbeiten widmetest und aufhörtest, nach den Sternen zu greifen.«
»So sei es«, antwortete ich bitter, die Augen randvoll von heißen Tränen. »Ich will hingehen und ein Kuhhirt werden, wenn dies nun einmal die ganze Weisheit ist, die Euch das Leben gelehrt hat, Pater!«
Da bereute er seine Worte. Er tätschelte mir mit seiner blaugeäderten, zitternden Hand die Wange und bemerkte: »Eine weltliche Stelle läßt dir die Freiheit, die Freuden dieses Lebens zu genießen. Du kannst dir eine Feder auf den Hut stecken, dich unter den Mädchen umtun und später an der Seite einer braven Frau und inmitten gehorsamer Kinder dich des Lebens freuen.«
Ich versetzte mürrisch, daß mich weder eine Heirat noch ein Haufen schreiender Bälger in einer armseligen Schreiberhütte anziehen könne.
»Und außerdem«, fügte ich hinzu, »hat jeder Priester – ja selbst jeder Bischof – eine Geliebte und Kinder, und niemand erblickt darin eine Sünde. Sie genießen alle Vorteile der Ehe und haben unter ihren Nachteilen nicht zu leiden. Nur eine heimliche Ehe gilt als unverzeihlicher Fehltritt für den geweihten Priester. Doch das sind nicht
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