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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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die Gründe, warum ich den Priesterberuf anstrebe. Für einen armen Burschen wie mich ist die Priesterweihe der einzige Weg zur Fortsetzung des Studiums und vielleicht zu irgendeiner Lehrstelle an einer Universität und dem Genuß einer Pfründe.«
    Kaum hatte ich diese Worte gesprochen, errötete ich vor Verlegenheit, denn mit dieser unüberlegten Enthüllung meiner geheimsten Träume hatte ich Magister Martinus triftige Gründe in die Hand gegeben, mich eines gottlosen Ehrgeizes zu zeihen.
    Allein mein Lehrer und Beschützer tadelte mich nicht weiter. Er sprach traurig: »Siehst du nicht ein, Michael, wie unrecht du tust, die Kirche und den Priesterstand nur als Mittel zur Befriedigung deines Wissensdurstes zu betrachten? Es ist Sache der Kirche, ihre Diener auszuwählen, und deine eigenen Worte haben dich als kleinlichen Glücksjäger und Heuchler erwiesen. Du würdest selbst die Monstranz zum Schemel deiner Füße machen, wenn sie dich nur eine Elle höher emporheben könnte. Du wirst dies zur rechten Zeit einsehen lernen und dich schämen.«
    »Pater Martin«, erwiderte ich, »ich besitze nichts auf der Welt als meinen Kopf und meine Hände – und die heilige Kirche, die stets meine einzige untrügliche Hoffnung war. Warum sollte sie mich verschmähen, wo viele, die törichter sind als ich, für würdig befunden werden? Warum werde ich zurückgewiesen, einfach deshalb, weil ich weder Güter noch Familie noch irgendwelche Verwandte habe, die mir am päpstlichen Gerichtshof die Dispens für die Sünde meiner Mutter erkaufen könnten? Warum?«
    »Bezweifelst du jetzt die Lehre der Kirche?« versetzte er streng. »Wer bist du, nichtiger Wurm, dich zu erheben und ihre Entscheidungen anzufechten? Ich warne dich, Michael, du bist nicht weit von der Ketzerei!«
    Diese furchtbaren Worte erschreckten mich, und ich war gedemütigt, obwohl der Trotz in meinem Herzen weiterbrannte. Dennoch stellte sich schließlich heraus, daß Magister Martinus mich nicht von der Schule vertreiben wollte. Er versprach mir sogar Bezahlung, wenn ich weiterhin die jüngeren Scholaren in der Grammatik unterrichten würde, und sicherte mein Entgelt durch eine großmütige Empfehlung an Lars Goldschmied als Hauslehrer seiner beiden Söhne.
2
    Mit dem Auftauen der See im Frühling kamen beunruhigende Nachrichten. Wir erfuhren damals von der Absicht König Christians II., nach Stockholm zu segeln, den Erzbischof wiedereinzusetzen, die schwankenden schwedischen Herren zu bestrafen und sich selbst die Krone des Königreiches Svea, sein rechtmäßiges Erbe, aufs Haupt zu setzen. Ein Teil der Besatzung von Abo schiffte sich nach Stockholm ein, um den Regenten Sten Sture zu unterstützen, und das Schloß wurde in den Verteidigungszustand versetzt. Doch war man allgemein überzeugt, daß Abos Widerstand nutzlos sein würde, wenn Stockholm fiele, und nur zu Chaos und Vernichtung führen würde. Man sprach nun weniger von der Grausamkeit der Jüten, und das Volk zog es vor, das Ereignis schweigend abzuwarten. Aber ich sehnte mich nach einem Krieg, denn er kam mir gerade recht. Was hatte ich schon zu verlieren?
    Zur Sonnenwende, am Feste des heiligen Johannes des Täufers, ging ich zur Kirche – was ich lange nicht mehr getan hatte –, um die Mutter Gottes anzuflehen, mir zu einem besseren Leben zu verhelfen. Ich war bis zum Rathaus gekommen, als ich Andy aus den Gewölben unter dem Rathaus kläglich nach mir rufen hörte. Er klammerte sich mit beiden Händen an das Gitter, so daß ich sein zerrauftes Haar und sein breites Gesicht sehen konnte, das von Beulen und Blut so entstellt war, daß ich ihn kaum erkannte.
    »Jesus, Maria!« rief ich erschrocken. »Was hast du denn gemacht?«
    »Das möcht’ ich auch wissen«, jammerte er. »Ich muß stockbesoffen gewesen sein. Wer hätte gedacht, daß der Branntwein einem ruhigen Burschen wie mir so mitspielen kann? Ich bin am ganzen Leibe braun und blau. Aber ich kann nicht der einzige gewesen sein – es müssen auch andere mitgerauft haben, denn ein Mensch allein könnte sich nie so viel Schaden tun, selbst wenn er kopfüber einen felsigen Hang hinabstürzte.«
    »Ich will zur Kirche laufen und beten, daß du nicht am Schandpfahl endest oder wegen Totschlags den Krähen zum Fraße dienest«, schlug ich vor, um ihn zu trösten.
    Aber Andy antwortete grimmig: »Was geschehen ist, ist geschehen, und Winseln nützt nichts. Sei ein Christ, Michael – hol mir Wasser und einen Bissen zu essen. Mein Magen gleicht

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