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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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schlug damit helle Funken aus dem Feuerstein. Er bemerkte lächelnd, daß der Krieg ihn nicht schrecken könne, doch müsse er an seine Schwester denken, und es wäre daher für ihn eine Beruhigung, zu erfahren, wie viele Geschütze auf dem Schlosse stünden, welches Kaliber sie hätten, wie stark die Besatzung und wie sie bezahlt sei, wer sie befehlige und woher die Truppen kämen. Es möchte auch ratsam sein, die Namen der hervorragendsten Bürger zu kennen und zu wissen, wieweit man ihnen in Staatsaffären trauen könne.
    Er schien ein nervöser Mensch; das ging allein schon daraus hervor, daß er in einer friedlichen Taverne Waffen griffbereit bei sich führte. Ich wollte ihn daher beruhigen und erzählte ihm, was ich von der Besatzung wußte, wobei ich ihn zugleich daran erinnerte, daß ich kein Soldat, sondern nur ein Schreiber war, und ihm riet, meinen guten Freund und früheren Meister, den Kanonengießer, zu befragen. Ja, ich hätte ihn auf der Stelle herbeigeholt, aber der freundliche Fremde beschwichtigte meinen Eifer, da er einen so geachteten Meister nicht am Johannistag stören wolle – noch dazu einen Meister, der gemeinen Undank habe erfahren müssen und daher leicht erzürnt werden könnte. Denn dies habe er über Meister Schwarzschwanz erfahren, und er wisse schon, daß ich sein Sekretär gewesen sei; daher wolle er sich mit dem begnügen, was ich ihm erzählen könne, besonders da er mich verständig finde. Wie viele Bombarden es auf dem Schlosse gebe, wollte er nun wissen; wie viele Kartaunen, Feldschlangen, Falken und Falkonetten, Drehbassen und Arkebusen? Ich suchte in meinem Gedächtnis nach den gewünschten Auskünften, und er notierte sich rasch die Zahlen. Davor kritzelte er nur geheimnisvolle Schriftzeichen. Dies schien mir keine geeignete Beschäftigung für einen Kaufmann oder einen frommen Pilger. Meine Rede wurde einsilbig, und als er fortfuhr, mich über die Ausrüstung der Soldaten und die Abfahrt der Schiffe von Abo auszufragen, gab ich wortkarge Antworten. Seine Neugier schien grenzenlos.
    Plötzlich bemerkte er meine Bedenken, raffte seine Papiere zusammen, versperrte sie in seinem Reisekoffer und erklärte lachend: »Ich sehe, Michael, daß Euch meine schrankenlose Neugier befremdet. Aber ich bin schon von Geburt an von einem unersättlichen Durst nach Wissen jeder Art besessen und pflege, wo immer ich hinkomme, brauchbare Nachrichten zu sammeln. Man weiß nie, wann man ihrer bedarf. Aber ich habe Euch lange genug behelligt. Wir wollen essen, trinken und fröhlich sein. Ihr sollt heute abend mein Gast sein.« Er führte mich in einen Nebenraum, wo ein mit erlesenen Speisen beladener und vom weichen Glanz der Wachskerzen erhellter Tisch stand. Doch nicht an diesem Tisch blieben meine Blicke haften. Die lieblichste und reichstgekleidete Frau, die ich jemals gesehen hatte, kam auf mich zu. Ihre Unterröcke raschelten bei jedem Schritt; sie trug das Haupt stolz erhoben, und Herr Didrik beugte sich höflich über ihre Hand und küßte sie. »Agnes, meine liebe Schwester«, sagte er, »erlaube mir, dir den Scholaren Michael vorzustellen, einen fähigen Jüngling, der außer seiner priesterlichen Gelehrsamkeit auch die Kunst der Herstellung von Schießpulver beherrscht und einige Zeit Sekretär eines Kanonengießers war. Er hatte die große Freundlichkeit, uns seine Hilfe zur Vervollkommnung unseres Wissens sowohl zu weltlichem Gewinn als auch um unserer Seele willen zu versprechen.« Darauf schenkte mir die Dame ein warmes Lächeln und reichte mir ihre Hand. Ich hatte noch nie zuvor einer Frau die Hand geküßt, und meine Schüchternheit verbat mir, die Augen zu ihrem schönen, aristokratischen Antlitz zu erheben. Unbeholfen verbeugte ich mich und berührte mit den Lippen ihre Finger; sie waren warm und weiß und dufteten nach erlesenen Salben.
    Mit einem Lachen, das so heiter klang wie das ihres Bruders, wandte sie sich an mich: »Wir wollen nicht förmlich zueinander sein. Wir sind alle jung, und ich habe es satt, in meiner Kammer eingesperrt zu sitzen und heiterer Gesellschaft zu entbehren. Und ich bin kein Wolf, mein Herr, der Euch verschlingen möchte! Ihr mögt ruhig Euer hübsches Antlitz erheben und mir in die Augen schauen.« Ich wurde noch verwirrter, da sie mich als »Herr« ansprach, als wäre ich ein Edler von Geburt gewesen, und mir Schmeicheleien über mein Äußeres sagte. Aber ich schaute auf und in ihre schelmischen braunen Augen und sie lächelte mir so mutwillig zu,

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