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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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einem leeren Backofen, und der liegt mir näher als meine Haut.«
    Die Stadtknechte waren nicht zu sehen, und ich brachte ihm Wasser in einem Eimer. Er konnte ihn jedoch durch das Gitter nicht erreichen, und sein Durst war so grimmig, daß er seine ganze Kraft einsetzte und die Gitterstangen auseinanderbog, um das Gefäß dazwischen durchzuzwängen.
    Ich war entsetzt, als ich den Mörtel abbröckeln sah, und bemerkte: »Du darfst städtisches Eigentum nicht beschädigen, Andy, sonst wird man dich noch schwerer bestrafen. Wenn du aber entkommen willst, dann ist jetzt der richtige Augenblick; du könntest dich vielleicht durch das Loch zwängen, das du gemacht hast.«
    »Ich will gar nicht entkommen«, entgegnete Andy von oben herab. »Ich will diese Beleidigungen und diese wohlverdiente Strafe in christlicher Demut ertragen und vor Gott und den Menschen meine Selbstachtung wiedergewinnen.«
    Ich hatte ein paar Münzen in meiner Börse, weil ich beabsichtigt hatte, eine Kerze für den heiligen Johannes den Täufer zu entzünden, den tugendhaften Mann, der sich lieber enthaupten ließ, als der buhlerischen Herodias zu Willen zu sein. Ich lief ins Wirtshaus Zu den Drei Kronen und kaufte eine irdene Schüssel voll Rüben und Heringe und einen Armvoll Brot. Aber ich konnte Andy nicht länger Gesellschaft leisten, denn nun kamen allmählich die Bürger auf dem Weg zum Hochamt am Rathaus vorbei.
    »Kopf hoch«, ermahnte ich ihn. »Ich will versuchen, mich heute abend zurückzuschleichen und dir mehr zu essen zu bringen.«
    »Kopf hoch! als ob das so leicht wäre, wo die Frösche auf mir herumhüpfen und die Ratten mich jedesmal in die Nase beißen, wenn ich ein wenig zu schlafen versuche! Immerhin, vielleicht sieht die Welt ein bißchen rosiger aus, wenn ich erst den Magen voll hab’!«
    Dann verließ ich ihn und eilte zum Dom; aber der Satan legt seine Schlingen schlauer aus, als wir glauben. Als ich zerknirscht und reuevoll aus der Messe kam, hielt mich am Kirchentor ein junger Mann an, dessen Wangen schwarz gefleckt waren, als wären sie einmal mit Schießpulver gepfeffert worden. Als er sein Schwert gürtete, redete er mich deutsch an und meinte, er habe viel Gutes von mir gehört. Er sei fremd in der Stadt und wohne mit seiner Schwester in der den Drei Kronen benachbarten Taverne. Er sagte mir, er bedürfe der Hilfe eines aufgeweckten Jünglings, und bat mich, ihn am Abend zu besuchen. Er meinte, ich würde es nicht bereuen. Er hatte ein verdächtig glattes Benehmen, aber ein gewinnendes Lächeln, trug enganliegende Beinkleider und ein samtenes Wams mit silbernen Knöpfen, und ich dachte, ich könnte nichts verlieren, wenn ich seiner Einladung folgte.
    Als Jungfer Pirjo von Andys Nöten hörte, machte sie ihm einen Sack voll Proviant zurecht, und als der Abend hereinbrach, trug ich ihn zum Rathaus. Dort traf ich im Hof den Büttel, einen einbeinigen alten Soldaten, der mich gelehrt hatte, ein Schwert zu führen.
    »Du darfst hinein«, meinte er freundlich. »Du bist nicht der erste Besucher.«
    Ich stieg in den Keller hinab, der jetzt von einem munter flackernden Talglicht erhellt wurde. Da saß die Wirtin von den Drei Kronen, hatte Andys Kopf im Schoß, streichelte ihm die Wangen und sprach ihm liebevoll zu.
    »Michael«, sagte sie ernst, als ich eintrat, »man möchte wohl schwer einen besseren, edelmütigeren Jungen finden als deinen Freund Andy. Als ich gestern nacht nach dem Sonnwendfeuer zum Schlafen nach Hause gekommen war, wurde ich in der Dämmerung durch einen schrecklichen Lärm geweckt. Eine Schar betrunkener Lehrlinge hatte die Tür eingetreten und war ins Haus gedrungen. Sie warfen meinen armen Gemahl in einen leeren Backtrog und häuften Steine auf den Deckel; hierauf zwangen sie mich, ihnen Bier, Branntwein und Essen vorzusetzen. Dieser gute Junge hier kam zufällig herein, sah meine Not und ging mit bloßen Fäusten allein die Kerle an, wie der heilige Samson an den Mauern von Jericho; und er warf sie hinaus, obwohl sie mit Prügeln, Pfählen und Scheitern über ihn herfielen und er sich kaum auf den Beinen halten konnte, weil er doch von den Verrichtungen der Sonnwendfeier müde war. Als schließlich die Stadtknechte auftauchten, tadelte sie mich sehr frech, daß ich zu verbotener Stunde Kunden bedient hätte, und dieser junge Mann hier mißverstand ihre Absicht und warf sie auch hinaus, um den Frieden meines Hauses zu schützen. Dann schlief er erschöpft auf dem Fußboden ein, aber die Wächter

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