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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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begann wieder: »Der schrecklichste und gar unmenschliche Großtürke Selim hat in Syrien, Persien und Ägypten Krieg geführt und den Orient unter seinem Banner vereinigt. Sein höchster Ehrgeiz ist es, das Gebot seines Propheten Mohammed zu erfüllen und die christlichen Völker zu vernichten, welche die Türken Ungläubige nennen, obwohl sie selbst einem falschen Propheten folgen. Die Venezianer werden nicht müde, die grenzenlose Grausamkeit und den Blutdurst der Türken auszumalen, doch sind diese Eigenschaften vor allem dem Verbot ihres Propheten, Wein zu trinken, zuzuschreiben. Die blutdürstigen Anhänger des Islam müssen sich mit Wasser begnügen, daher leuchtet es mir wenigstens ein, daß sie im Zeichen der Fische stehen.«
    »Das ist in der Tat sat sapienti« ,warf Magister Monk eifrig ein. Er hatte diese Dinge aus der ungarischen Flugschrift kennengelernt.
    »Ja, nicht wahr?« stimmte Julien d’Avril bei, geschwellt vom Wein und seiner Weisheit. »Im Februar des Jahres 1524 werden die Planeten ihre gemeinsame Kraft den Fischen verleihen; das bedeutet, daß die Welt in die Gewalt der Türken geraten wird. Es ist ein fürchterlicher Gedanke, doch können wir nicht bezweifeln, was klar in den Sternen geschrieben steht, und es wird klug sein, wenn wir geeignete Maßnahmen ergreifen. Ich beispielsweise will die Winzer Frankreichs anhalten, so viele Fässer wie möglich einzulagern und zu verstecken, damit die Christen während der ersten Jahre der Türkenherrschaft nicht vor Durst umkommen müssen. Man könnte vielleicht sogar die Türken für einen mäßigen Weingenuß gewinnen, wodurch ihre Macht geschwächt würde.«
    Der Engländer entriß dem Fremden den Weinkrug und goß die letzten paar Tropfen in sein eigenes Glas.
    Zitternd vor Erregung bemerkte er: »Britannien ist eine Insel und braucht nichts, was unter dem Zeichen der Fische eintritt, zu fürchten. Ihr Herren, ihr dürft mir glauben, daß England jedem Angriff auf seine Küste Widerstand leisten wird, selbst wenn der Kaiser stürzen und ganz Europa unterliegen würde.«
    Höflich entgegnete Julien D’Avril: »Gott verhüte, daß ich unseren guten Gastgeber, der uns diesen erfrischenden Wein vorsetzt, im geringsten beleidige. Ich gestehe gern, daß sich die Türken höchstwahrscheinlich im Nebel verirren würden, wenn sie je versuchten, eure Hauptstadt im Sturm zu nehmen.«
    Der Wein unseres gastfreien englischen Bruders war auch mir zu Kopf gestiegen, und es dünkte mich, daß das Streben nach Wissenschaft ja in der Tat vergeblich sei, wenn die Welt einer großen Katastrophe entgegengehe.
    Der junge Baske sagte: »Herr, ich danke Euch für Eure Prophezeiungen, denn sie bestärken mich nur in meinem Entschluß, so schnell wie möglich heimzukehren und in der Neuen Welt Dienste zu nehmen. Mir ist, als schlingerten wir hier in der Alten in einer verschimmelten, wurmstichigen Arche, die jeden Augenblick sinken kann. Was kann ich erhoffen in einer Welt, wo die Fürsten keine Ehre und die Frauen keine Tugend haben und wo die heilige Kirche zum Götzendienst entartet ist und sich zu Taschenspielerkunststücken herabläßt?«
    Magister Monk legte dem Jungen die Hand auf den Mund, hieß ihn schweigen und drohte ihm mit seinem Unwillen. Nachdem er den Jungen beschwichtigt hatte, blickte er jedem von uns ernst in die Augen und sprach: »Jeder echte Christ mag in seinem Herzen die gegenwärtige Erniedrigung der heiligen Kirche betrauern, doch ist es nicht unsere Aufgabe, das Schlechte durch offenen Tadel noch schlimmer zu machen. Wir müssen ergeben hoffen, daß die erforderliche Säuberung von oben kommt, wenn die Zeit reif ist. Wir wollen alle Buße tun und im eigenen Herzen nach dem Rechten sehen, denn dessen bedarf ein jeder von uns. Durch unser eigenes Leben und Handeln müssen wir unseren Seelenfrieden und immerwährende Freude finden.«
    »Amen. So sei es«, antwortete Julien d’Avril ehrerbietig. »Doch möchte ich zu bedenken geben, daß eine lange Wallfahrt oft von Nutzen ist, wenn unsere bösen Taten allzu schwer auf uns lasten oder wenn wir von unserem Nächsten unterdrückt werden. Ich war oft gezwungen, mich dieses erprobten Mittels zu bedienen. Nehmt diesen Vorschlag an Stelle eines Geschenkes von mir an.«
    So wurde ich mit Julien d’Avril bekannt. Es war ein zweifeihaftes Vergnügen, doch lernte ich viel aus seinen endlosen Geschichten.
    Ich sah den Frühling in Paris anbrechen, als die Blütenkerzen der Kastanien an den Ufern der

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