Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
will, den unser Wirt vom Boden der Fässer abzapft und für einen Stüber verkauft.«
    Der Schenkwirt brachte jedem von uns eine Schüssel voll guter kräftiger Suppe und einen Keil Brot, und da Sonntag war, bestellte Andy Wein.
    Ich war so schwach, daß mir selbst die Suppe zu Kopf stieg, und sagte zu Julien d’Avril: »Gelehrter Bruder, ratet mir, was ich tun soll, denn die Not klopft an meine Tür, und nur mein natürliches Mißtrauen hindert mich daran, mein Elend zu offenbaren.«
    Julien d’Avril antwortete empört: »Ei, Ihr Narr, warum habt Ihr mir das nicht früher erzählt? Wir hätten gemeinsam nach Frankfurt reisen und uns ein wenig an der Wahl des Kaisers beteiligen können. Meine Erfahrung und Euer argloses Gesicht hätten Wunder gewirkt. Nun aber ist Karl V. auch ohne unsere Hilfe Kaiser geworden. Wenn wir unsere beiden klugen Köpfe zusammenstecken sollen, Michael, so müßt Ihr alsogleich einsehen, daß Leute unseres Schlages nicht reich werden können, wenn sie dem schmalen, dornigen Pfad der Tugend folgen. Ihr müßt eine breitere Straße einschlagen, wenn Ihr im Sommer genug verdienen wollt, um den nächsten Winter in dieser knickerigen Stadt durchstehen zu können.«
    Auch Andy warf ein, er habe bemerkt, daß niemand durch ehrliche Arbeit Geld verdiene, obwohl man daraus viel Nützliches lernen könne.
    Julien fuhr fort: »Wenn es nur darum ginge, Euch am Leben zu erhalten, so könnte ich ohne Zweifel irgendeinen ehrsamen Bürger überreden, Euch seine Kinder lesen lehren zu lassen und Euch dafür zu verköstigen; doch ein solcher Ausweg wäre nicht von dauerndem Nutzen. Wir haben natürlich den Zahn des Bischofs, der ein wirksames Mittel gegen Zahnschmerzen ist, wie ich bemerkt habe, und viele andere heidnische Medizinen aus Eurer Heimat; doch wolltet Ihr Euch als Quacksalber betätigen, so gerietet Ihr dabei in Streit mit der medizinischen Fakultät, die ihre Privilegien eifersüchtig hütet. Euer starker Gefährte hingegen könnte Schlösser aufbrechen, und Euer schlanker Körper könnte sich durch die schmalsten Fenster zwängen, wollte ich Euch die Häuser weisen, wo Silberlöffel zu finden sind; doch ich fürchte, Eure Frömmigkeit würde Euch verbieten, Hand an Eures Nächsten Gut zu legen. Ich habe jedoch im Laufe dieses Sommers gewisse löbliche Pläne ausgebrütet, zu deren Ausführung Ihr mir behilflich sein könnt. Ich werde allmählich allzu gut bekannt in dieser Stadt, und es wäre gesünder für mich, meinen Wohnsitz zu wechseln. Die Weinernte naht heran, und mich hat die Sehnsucht erfaßt, die lächelnden Weingärten Frankreichs zu sehen. Überdies pflegen Bauern wie Winzer um diese Jahreszeit bei guter Laune zu sein, und die Gesellschaft Eures starken Freundes wäre ein Schutz gegen Gewalt.«
    Ich fragte ihn, welcher Art diese löblichen Pläne wohl seien, und er erwiderte: »Als ich mein Buch geschrieben und bemerkt hatte, mit welcher Ehrfurcht einfache Leute das gedruckte Wort lesen und glauben, begann selbst ich die Türkengefahr zu fürchten, die ich darin beschrieben hatte. Ich habe mich daher entschlossen, nach dem Osten zu reisen und mein Leben der Bekehrung des Islam zu widmen. Ich will die Türken an den Genuß des Weines gewöhnen und dadurch ihr wildes Wesen besänftigen, bevor die Schicksalsstunde über uns hereinbricht. Um aber dieses fromme Ziel zu erreichen, bedarf ich der Unterstützung aller guten Christen.«
    Darauf versetzte ich: »Gelehrter Bruder, solche Lügen würden nicht einmal den dümmsten Bauern rühren, geschweige denn ihn bewegen, seinen Beutel zu öffnen.« Doch Julien schüttelte den Kopf.
    »Ihr seid jung, Michael. Ihr habt keine Ahnung, wie gern die Menschen die größten Lügen glauben. Gerade die Frechheit dieser Lügen ist es, die sie täuscht.«
    Je weiter er diese seine Pläne entwickelte, desto mehr verwirrte er mein gesundes Urteil. Den schwerfälligen Andy kitzelte er mit Geschichten von den Schlachtfesten im Herbst und dem Überfluß, der dann in den ländlichen Gegenden herrsche, und – ich weiß heute noch nicht, wie er es zuwege brachte – schon am nächsten Tage zeigte er mir ein Pergament mit vielen kirchlichen Siegeln, in dem alle echten Christen aufgefordert wurden, ihm zu helfen und seine fromme und lobenswerte Sendung, die der gesamten Christenheit von großem Nutzen sein sollte, zu unterstützen. Er kleidete sich in ein Pilgergewand und gürtete seine Lenden mit einem Strick, und vom Drucker kaufte er – auf Borg – einen

Weitere Kostenlose Bücher