Michael, der Finne
erfüllten glühende Bewunderung und beklemmende Zweifel. Ich verehrte ihn als einen großen Lehrer und Menschenfischer; doch ließ es mir keine Ruhe, bis mir Magister Monk versichert hatte, Erasmus sei Priester und ein gehorsamer Sohn der Kirche, und der Heilige Vater selbst habe seine Bücher mit Wohlgefallen gelesen.
Jeden Sonntag nach der Messe sammelten wir uns um unseren guten Präzeptor und verzehrten gemeinsam das schmackhafteste Mahl der Woche in einer kleinen Taverne in unserer eigenen Straße. Ich erinnere mich noch an einen frühen Frühlingstag, als die Sonnenstrahlen bereits ein wenig Wärme verbreiteten. Ich sehe das schmale, verzückte Gesicht meines Lehrers unter seinem schwarzen Barett vor mir. Ich sehe das eigensinnige Gesicht eines baskischen Jungen, den blassen, schwachen, jungen englischen Adeligen, der am meisten bezahlte und der Lieblingsschüler war, und ich sehe den sommersprossigen Sohn eines holländischen Webers.
Der Engländer hatte Wein für die Runde bestellt, und unser Magister erhob sein Glas und sprach: »Möge die Seele des dahingeschiedenen Kaisers in Frieden ruhen! Nun laßt uns auf das Glück und Gedeihen des jungen Königs Karl trinken: Möge er, der schon die Kronen von Spanien und Burgund trägt, noch die Kaiserkrone dazu erwerben und der mächtigste christliche Herrscher aller Zeiten werden, der die Türkengefahr abwenden und die Ketzerei ausrotten wird!«
Der Engländer entgegnete: »Die Höflichkeit erfordert, daß ich mich eurem Trinkspruch anschließe. Doch auch mein eigener König, Heinrich Viii., bewirbt sich um die Kaiserkrone, und unsere Achtung vor der guten Stadt Paris und dem König von Frankreich gebietet uns, nicht zu vergessen, daß auch er dieselbe Ehre anstrebt.« Der junge Baske warf ein: »Ich schulde König Karl geringen Dank, da die heilige Inquisition in meinem Land das Leben für einen freien Gelehrten, der die jüdische und arabische Medizin zu studieren wünscht, unerträglich gemacht hat. Doch dies muß mein Abschiedstrunk sein, denn mein Geld ist dahin und ich will nach Spanien zurückkehren, um mich als Feldscher jenseits des Ozeans anwerben zu lassen. Ich habe gehört, daß ein gewisser Cortez kühne Burschen sucht, die ihm die Neue Welt erobern helfen. Er verspricht jedem Soldaten so viel Geld, wie er tragen kann.«
Der holländische Bürgerssohn versetzte: »In der Neuen Welt ist noch niemand reich geworden, und selbst Columbus kam von dort als armer Mann und in Ketten zurück. Aber ich wünsche dir eine gute Reise, da du lieber auf alte Weiber als auf vernünftigen Rat hörst.«
Der Engländer fragte: »Werden wir also auf die vorgeschlagene Meinung trinken oder nicht? Den Wein zahle ich, und unnützes Reden dörrt die Kehle aus.«
Wir stießen gemeinsam darauf an und drückten die fromme Hoffnung aus, daß der erwählte Kaiser sich als Segen für die Christenheit erweisen würde; doch nannten wir keinen Namen. Dies gefiel einem unweit sitzenden Scholaren nicht, der uns insgeheim belauscht hatte, während er mit tintenbeklecksten Fingern ein Gedicht hinkritzelte.
Dieser Mann, der einem Trunkenbold nicht unähnlich sah, trat an unseren Tisch und fragte: »Hab’ ich recht gehört, können Fremde, denen aus purer Gefälligkeit die Vorrechte dieser Stadt und ihrer Universität eingeräumt wurden, so bar allen Anstandes sein, daß sie zaudern, ihr Glas auf den edlen König Franz und seine Hoffnungen auf die Kaiserkrone zu erheben? Er ist ihrer am würdigsten. Und er hat ein Recht auf mehr Ehrerbietung von Leuten, welche die Vorrechte, die er ihnen gnädig zu gewähren geruht, nach Kräften nutzen – obwohl, nach euren Reden zu schließen, ihre Talente keinen Pappenstiel wert sind.«
Magister Monk entgegnete tief gekränkt: »Ich bin ein Mann des Friedens und halte es unter meiner Würde als Gelehrter und Priester, einen Landstreicher zurechtzuweisen, der das bißchen Witz, das er je besaß, offenbar im Wein ersäuft hat. Doch wenn irgendeiner von euch ihm eine Abfuhr erteilen will – in aller Besonnenheit und Höflichkeit –, so will ich euch nicht hindern, sondern euch den Schutz meiner Autorität angedeihen lassen.«
Wir sahen einander zweifelnd an, und der Engländer sprach ernst: »Ich bin schuld, da ich so unüberlegt auf dem Trinkspruch bestand. Ich zweifle nicht, daß wir gemeinsam den schamlosen Kerl hinauswerfen und ihn für seine Frechheit ordentlich züchtigen können. Doch ist das Ganze eine sehr verzwickte Frage politischer
Weitere Kostenlose Bücher