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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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grünen Seine weiß schimmerten. Doch noch schöner als der Frühling waren für mich die Universität und ihre Weisheit, und meine einzige Sorge war die Angst vor der bitteren Armut. Das Schuljahr schloß Ende Juni, am Feste des Martyriums der Heiligen Petrus und Paulus. Der gute Magister Monk kehrte nach Holland heim, und meine Gefährten zerstreuten sich in alle Winde. Aber der Weg nach Abo war zu weit und beschwerlich, als daß ich ihn hätte einschlagen können. Außerdem hatte ich eine heilsame Angst davor, daß man mich einkerkern und mir als Anhänger König Christians und der Union den Prozeß machen würde.
    In jenem Sommer wurde meine karge Börse um den letzten Pfennig erleichtert. Von Andy hatte ich nicht viel gesehen, denn er arbeitete in einer Glocken- und Kanonengießerei weiter unten am Fluß. Er hatte mich ab und zu an Feiertagen besucht, doch ich war so angelegentlich in meine Studien vertieft, daß ich mich nur vergewissern konnte, daß er genug zu essen hatte.
    Doch einmal kam ein sonniger Morgen, als ich auf meiner Strohmatratze liegen blieb, zu schwach, um aufzustehen und die Messe zu hören. Der Aasgeruch, den der Sommer mit sich brachte, drang durch das Fenster herein, und ich hätte damals nicht viel für mein Leben gegeben. Viele Tage hatte ich nur Wasser und Brot gehabt, und um auch nur dies kaufen zu können, hatte ich mein bestes Wams verkaufen müssen, von dem ich mich lieber trennte als von meinen Büchern. Andy betrat meine Kammer, schnupperte und sagte in seiner rauhen Art: »Was ist los – hast du gestern abend zu viel getrunken? Oder warum liegst du da mit grünem Gesicht? Schau mich an, einen ehrlichen Handwerksmann, frisch wie der junge Tag und schon beim Hahnenschrei auf den Beinen, um dich zu besuchen; das ist der Lohn dafür, daß man starken Getränken aus dem Wege geht und selbst schwachen Tafelwein für mehr Brot hingibt.«
    »Bruder Andy«, begann ich und brach in Tränen aus, »du bist gerade rechtzeitig gekommen, um meine letzten Wünsche zu hören. Mich hat nicht das Trinken zugrunde gerichtet, sondern der Hunger und zuviel Studium, und ich sehe nun, daß ich um meiner Sünden willen unter Fremden in einer fremden Stadt sterben muß. Gib mir ein christliches Begräbnis, und Gott und seine Heiligen werden dir’s lohnen.«
    Andy sah ängstlich drein. Er befühlte mir Hals und Handgelenke mit seiner rauhen Hand.
    »Du gleichst einem gerupften Vogel«, meinte er. »Ein Wunder, daß dir deine Rippen nicht Löcher in die Haut gemacht haben. Aber sind wir denn unter den Heiden? Gibt es keinen Christen in dieser ganzen schönen Stadt, der Mitleid mit dir hätte und dir zu essen gäbe?«
    »Wozu?« fragte ich kläglich. »Mit dem Brief von Pater Petrus habe ich mir bei den Dominikanern so viele Mahlzeiten ergattert, daß ich mich dort nicht mehr zu zeigen wage. Und der Wirt ›Zum Engelskopf‹ hat mir so lange auf Pump zu essen gegeben, daß ich auch dorthin nicht gehen kann. Ich bin immer noch zu gut gekleidet, um in den Straßen zu betteln – und warum sollte ich mein Elend noch verlängern? Ich will hier liegen bleiben und demütig mein Ende erwarten.«
    Andy antwortete: »Mir will es töricht erscheinen, daß du die Flinte ins Korn werfen willst, solange sie noch geladen ist. Doch du bist klüger als ich, Michael. Sonst hätte ich dich gerne zu einem bescheidenen Essen beim ›Engelskopf‹ eingeladen, denn so viel kann mein Beutel gerade noch ertragen, meine ich.«
    Rasch erhob ich mich und kleidete mich an.
    »Bruder Andy«, sagte ich, »warum sollte ich mich weigern? Bin ich nicht dein einziger Freund in dieser fremden Stadt, der noch dazu deine Muttersprache spricht? Eilen wir daher zum ›Engelskopf‹, denn ich habe eine volle Schüssel Suppe gar nötig.«
    Der Schenkwirt grüßte mich ungeachtet meiner Schuld bei ihm herzlich, vielleicht weil er fürchtete, daß er durch einen kühlen Empfang sein Geld ganz verlieren könnte. Und dort trafen wir Julien d’Avril, der daselbst häufiger Gast war, wenn er nicht gerade von den Stadtknechten für unverschämtes Betragen und Lärmen in den Straßen in Gewahrsam genommen war.
    Er grüßte Andy höflich und bemerkte zu mir: »Euer Kamerad scheint ein starker, gutmütiger Bursche zu sein und wird mir ohne Zweifel eine Kanne Wein bezahlen, wenn er erfährt, daß ich Gelehrter und Astronom sowie Verfasser eines gedruckten Buches bin. Sagt ihm, daß ich ganz und gar nicht wählerisch bin und mich mit dem Bodensatz begnügen

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