Michel bringt die Welt in Ordnung
interessierte ihn einfach nicht mehr, ob sie lebten oder starben, und übrigens konnte er ja sehen, dass sie nicht tot waren wie die Hühner. Der Hahn röchelte schwach und zuckte ein wenig mit den Beinen und Knirpsschweinchen machte wohl ein Nickerchen, denn ab und zu versuchte es die Augen zu öffnen, und in ihm rasselte es.
Es lagen immer noch ziemlich viele Kirschen im Gras und Michel kostete eine. Sie hatte nicht gerade den Geschmack einer Kirsche, aber tatsächlich, sie schmeckte eigentlich nicht schlecht. Wie konnte Mama nur auf den Gedanken kommen, dass man so gute Beeren vergraben sollte?
Ach ja, Mama! Er musste ja wohl zu ihr und ihr von dem Unglück mit den Hühnern erzählen. Aber er hatte nicht viel Lust dazu. Nicht jetzt sofort. Nachdenklich aß er noch einige Kirschen … und dann noch einige … Nein, er wollte es nicht jetzt gleich machen!
Inzwischen hatte Michels Mama in der Küche das Abendbrot für die Ernteleute vorbereitet. Nun kamen sie alle, Michels Papa und Alfred und Lina und Krösa-Maja, müde und hungrig nach einem langen Arbeitstag. Sie setzten sich rund um den Küchentisch. Aber Michels Platz blieb leer und Michels Mama fiel ein, dass es schon ziemlich lange her war, seit sie ihren Jungen zuletzt gesehen hatte.
»Lina, guck nach, ob Michel draußen bei Knirpsschweinchen ist«, sagte sie.
Lina ging hinaus und sie blieb lange weg. Als sie endlich wieder zur Tür hereinkam, blieb sie auf der Schwelle stehen und wartete, bis alle sie ansahen. Das Unerhörte, das sie zu erzählen hatte, sollten alle gleichzeitig hören.
»Was ist los mit dir? Warum stehst du da rum? Ist was passiert?«, fragte Michels Mama.
Lina lächelte vor sich hin.
»Ob was passiert ist? Ja, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll … Aber die Hühner sind jedenfalls tot! Und der Hahn ist besoffen! Und Knirpsschweinchen ist besoffen! Und was Michel angeht … «
»Was ist mit Michel?«, fragte Michels Mama besorgt.
»Michel«, sagte Lina und seufzte schwer, »Michel ist auch besoffen!«
Das wurde ein Abend auf Katthult – man kann ihn kaum beschreiben!
Michels Papa tobte und schrie, Michels Mama weinte, Klein-Ida weinte und Lina weinte zur Gesellschaft mit, Krösa-Maja jammerte ach und oh und hatte nicht einmal Zeit, ihr Abendbrot zu essen. Sie musste sofort los und allen und jedem erzählen:
»Ach, ach, ach! Die armen Svenssons auf Katthult! Michel, dieses Unglück, hat sich besoffen und alle Hühner erschlagen, ach, ach, ach!«
Alfred war der Einzige, der vernünftig blieb. Als Lina mit ihrer grässlichen Kunde gekommen war, raste er zusammen mit allen anderen hinaus und fand Michel neben Knirpsschweinchen und dem Hahn im Gras liegend. Ja, Lina hatte Recht, Michel war tatsächlich richtig voll. Schwer an Knirpsschweinchen gelehnt, lag er da und verdrehte die Augen. Man sah, dass ihm schlecht war. Michels Mama weinte verzweifelt, als sie ihren armen, unglücklichen Jungen sah, und wollte ihn sofort in die Kammer tragen. Aber Alfred, der sich in solchen Dingen auskannte, sagte:
»Es ist besser für ihn, wenn er draußen an der frischen Luft bleibt!«
Und dann saß Alfred, Michel im Arm, den ganzen Abend auf der Vortreppe der Knechtshütte. Er half ihm, wenn er sich übergeben musste, und tröstete ihn, wenn er weinte. Denn hin und wieder wachte Michel auf und dann weinte er über seine Schlechtigkeit. Er hatte ja gehört, dass er besoffen war, nur konnte er sich nicht erklären, wie das zugegangen war. Michel wusste nicht, dass Kirschen, aus denen man Wein macht und die deshalb lange gären müssen, schließlich voll gesogen sind mit dem, wovon man betrunken wird. Deshalb hatte seine Mama auch zu ihm gesagt, er solle die Kirschen im Abfallhaufen vergraben. Aber stattdessen hatte er von ihnen gegessen, er und der Hahn und Knirpsschweinchen. Und darum lag er nun wie ein Wrack hier in Alfreds Armen.
Lange lag er so. Die Sonne ging unter, es wurde dunkel, der Mond stieg auf über Katthult und noch immer saß Alfred da mit Michel in den Armen.
»Wie geht es dir, Michel?«, fragte Alfred, als er sah, dass Michel die Augen ein bisschen bewegte.
»Ja, noch lebe ich«, sagte Michel mit matter Stimme und dann flüsterte er: »Aber wenn ich sterbe, dann sollst du, Alfred, den Lukas haben.«
»Du stirbst nicht«, versicherte Alfred.
Nein, Michel starb nicht und Knirpsschweinchen nicht und der Hahn auch nicht. Und auch die Hühner nicht, das war das Seltsamste. Es war so, dass Michels Mama Ida mitten
Weitere Kostenlose Bücher