Mick Jagger: Rebell und Rockstar
bewahrten.
»Nach unserem Auftritt an diesem ersten Abend, wollte ich mir Guns N’ Roses anschauen, um zu sehen, was sie live draufhatten«, sagte Muzz Skillings, der Drummer von Living Colour. »Ich stand hinter der Bühne. Ich sah, wie Axl die Treppe runterkam, und dann ging er an mir vorbei. Fünf Minuten später tippte mir jedoch jemand auf die Schulter. Ich sah mich um und da stand er.«
»Du hast ein Problem mit mir?«, fragte Rose mit hochrotem Gesicht.
»Wovon sprichst du?«, fragte Skillings.
»Die Medien stellen mich als eine Art Rassist dar, Mann. Ich bin aber kein verdammter Rassist.« Und dann sprudelte es aus ihm hervor: »Ich halte dich nicht für einen Nigger. Jeder kann ein Nigger sein. Wenn du ein schlechter Mensch bist, bist du ein Nigger. Ich halte Schwarze nicht pauschal für Nigger. Ich glaube auch nicht, dass schwarze Bands Nigger sind.«
»Und so ging es in einem fort«, erinnerte sich Skillings. »Irgendwann streckte er mir seine Hand hin und ich sagte, wir sollten uns mal in Ruhe darüber unterhalten, einfach mal darüber unterhalten.«
Das Jagger-Jiu-Jitsu funktionierte hervorragend während der viertägigen Konzertserie in Los Angeles. Am zweiten Abend eskalierte der schwelende Konflikt. Bevor Living Colour ihren Hit »Cult of Personality« spielten, kam Reid auf die rassistischen Äußerungen in den Lyrics der Guns zu sprechen und verlieh seiner Missbilligung und Enttäuschung deutlich Ausdruck. »Ich dachte mir: ›Bei der nächsten Show muss ich etwas dazu sagen.‹ Ich habe mein Statement abgegeben, und wir haben das Set zuende gespielt. Als wir von der Bühne kamen, wartete Keith auf uns. Er schüttelte meine Hand und sagte: ›Mann, das war toll.‹« Die Stones und ihr Publikum standen eindeutig auf der Seite von Living Colour.
Guns N’ Roses hätten die Leute vielleicht trotzdem noch für sich gewinnen können, wären sie auf die Bühne gekommen und hätten einen furiosen Auftritt hingelegt. Doch das taten sie nicht. »Der nun auf ihnen lastende Druck war einfach zu hoch«, so Reid. »Sie waren auch nur Menschen. Es ist schon ziemlich seltsam, was mit ihnen in der Folge geschah.« Guns N’ Roses brachen auseinander, genau dort, auf dieser Bühne, an diesem Abend, und sie waren nie mehr dieselbe Band wie zuvor. Im Verlauf des nächsten Jahres verließen Drummer Steven Adler und Gitarrist Izzy Stradlin die Gruppe, und Axl Rose warf sich zum alleinigen Chef der Band auf. Bei einigen ihrer Konzerte kam es zu Ausschreitungen und manche Shows begannen mit einigen Stunden Verspätung. Schließlich hat man eineinhalb Jahrzehnte lang gar nichts mehr von ihnen gehört. Während Living Colour weitermachten wie zuvor und sich der Herausforderung stellten, indem sie einfach ihre Musik machten, fing Rose an, von der Bühne zu predigen, was schon problematisch genug ist, wenn man nicht vor einem Publikum steht, das eigentlich auf die Stones wartet. Gerechterweise muss man sagen, dass sich die von allen Seiten bedrängte Band am dritten Abend wieder etwas fing. Slash trug ein T-Shirt des Betty Ford Centers (einer bekannten Entzugsklinik) und Axl erklärte dem Publikum: »Ich möchte mich für das, was ich letzten Abend getan und gesagt habe, entschuldigen.« Anschließend legte die Band eine heiße Show hin, doch es sollte eines der letzten wahren Highlights mit dem Original-Lineup sein.
Auf YouTube gibt es ein Video von einer Show dieser Tour, bei der Axl zusammen mit Mick und Keith die Beggars Banquet -Ballade »Salt of the Earth« singt. Axl trifft jeden Ton perfekt. Man kann förmlich sehen, wie Mick versucht, sich durch Axls kraftvolle Präsenz nicht an den Rand drängen zu lassen. Für den Bruchteil einer Sekunde imitiert er sogar Axls berühmten Snake Dance. »Mick war extrem eifersüchtig auf Axl Rose«, sagte jemand, der die ganze Tour mitgemacht hat. »Rose kam in seinen knallengen Shorts, und die Mädels flippten völlig aus. Mick ist äußerst empfindlich, was sein Alter und sein Aussehen anbelangt, und hier stahl ihm nun ein Kerl die Schau, der sein Sohn hätte sein konnte. An der Art wie Mick Axl aus den Augenwinkeln beobachtete, bekam man mit, dass es in ihm brodelte. In dieser Hinsicht war Mick wie eine Frau, die auf eine andere eifersüchtig ist.«
Die Stones vertraten zwar denselben Standpunkt wie Living Colour, doch sie mischten sich nie in den Streit zwischen den beiden Bands ein – mit keinem Wort. Für sie war es weiter kein Thema, dass sie einer
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