Mick Jagger: Rebell und Rockstar
Auseinandersetzung zwischen zwei aufstrebenden Rockbands Tür und Tor geöffnet hatten. Ihre Botschaft lautete einfach: Komm zu den Rolling Stones und sie machen dich fertig, ganz gleich, wie viele Jahre seit Some Girls vergangen sind. Bei der Steel Wheels -Tour 89 ging es nicht um Schwarz gegen Weiß, es ging um die Stones gegen den Rest der Welt. Es ging darum, die alten Machtverhältnisse wiederherzustellen.
EINE
SCHURKEN-
VISAGE
KAPITEL 18
M ick hat ein ziemlich gutes Verständnis für alles, was mit dem Film zu tun hat«, bemerkte Martin Scorsese 2010 im Gespräch mit der New York Times . Ihn faszinieren die verschiedenen Produktionsschritte, bei denen sowohl ein hohes Maß an Disziplin als auch ein scharfer Verstand gefordert sind. Als Rock’n’Roller ist Mick Jagger längst ganz oben angekommen, doch immer wenn er einen Film dreht – alle paar Jahre einmal, irgendwann zwischen einer Tour und der Arbeit an einem neuen Album –, begibt er sich auf eine Zeitreise; dann kann er den Geist der frühen 60er noch einmal nachempfinden, als für ihn noch vieles neu war und er alles staunend aufsog. Zu Beginn seiner zweiten Lebenshälfte erkannte Mick, dass die Erinnerung an seine frühen Jahre mehr und mehr verblasste. Zu dieser Zeit gründete er mit Jagged Films seine eigene Produktionsfirma und nahm nun mehr Rollen an als zuvor. »Gegen Ende der 80er interessierte sich Mick zunehmend für Hollywood. Produzent und Schauspieler zu sein – ich weiß nicht, ob er auch Interesse an der Regie hatte –, betrachtete er als neue Herausforderung. [Ich verstehe durchaus], dass er sich als Künstler ein neues Betätigungsfeld suchte«, sagt Bill German.
Die Anzahl an Filmen, in denen Mick Jagger mitgewirkt hat, ist so überschaubar (während ich das hier schreibe, ist es gerade mal ein halbes Dutzend), dass eben diese Filme und Rollen weitaus mehr über ihn verraten als seine Karriere als Musiker oder seine politischen Aktivitäten (oder der Mangel an solchen) – und ganz sicher verraten sie mehr über ihn als seine Eroberungen und Affären.
Als er zwischen zwanzig und Anfang dreißig war, wurden Mick regelmäßig Rollen in Filmen angeboten, die nach einem neuen, jungen Antihelden verlangten. Einige dieser Filme, wie zum Beispiel Up the Junction , gelten heute als Kultklassiker. Bei diesen Filmen nicht dabei gewesen zu sein, wird Mick im Nachhinein sicher bedauert haben, und er wird sicher nicht nur einmal an all die Chancen gedacht haben, die er ungenutzt verstreichen ließ, sowie an all das, was er für seine Rolle als Frontman der Rolling Stones geopfert hat.
Sein zweiter Film, in dem er mitspielte – nach seinem Debüt in Performance –, wurde in dem für ihn chaotischen Jahr 1969 gedreht. Bei den Dreharbeiten zu Ned Kelly arbeitete Jagger mit dem berühmten britischen Regisseur Tony Richardson zusammen. Der gemeinhin als Flop geltende Film (der gut dreißig Jahre später mit dem inzwischen verstorbenen Heath Ledger in der Titelrolle neu verfilmt wurde) wird meist unterschätzt, dabei besitzt er durchaus seinen Reiz. Mick, der mütterlicherseits auf australische Vorfahren zurückblicken kann, gibt sein Bestes in der Rolle des wilden Outlaws, der am Galgen endet. Die Geschichte wird vom Ende her erzählt. Ned sitzt im Gefängnis und erwartet seine Hinrichtung, um – wie es seine Mutter ausdrückt – »zu sterben wie ein Kelly«. »So ist das Leben«, erklärt er schulterzuckend auf dem Weg zum Galgen. Zugegeben, das ist nicht gerade Hamlet , aber dennoch fesselt uns die Geschichte. Der Streifen lässt sich einordnen zwischen Filmen wie Bonnie und Clyde von 1967 und The Harder They Come von 1973. Mit der Figur des Ned Kelly, dem modernen Antihelden, wurde der Nerv der Zeit getroffen. Das Publikum sollte bewusst Parallelen zu den zeitgenössischen Straßenkämpfen ziehen (die Gesetzeshüter werden als »Schweine« bezeichnet). Der Film bietet jede Menge australisches Lokalkolorit (Kängurus hüpfen durchs Bild), und der Soundtrack von Waylon Jennings (mit Anklängen an seine spätere Filmmusik zur Serie Ein Duke kommt selten allein ) und Kris Kristofferson übernimmt die Funktion eines Chors aus einem antiken griechischen Drama, der das Geschehen kommentiert. Warum blieb der Erfolg aus? Vielleicht weil Mick doch kein so überzeugender Schauspieler war?
Als seine Züge mit dem Alter den Hauch der Androgynität verloren, zeigte sich, dass sein Fach das des Charakterdarstellers war – desjenigen, der die
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