Mick Jagger: Rebell und Rockstar
großen und schillernden Schurken oder Helden spielt. 1977, acht Jahre nach seiner Darstellung des Ned Kelly, bemerkte Mick: »Ich würde eines Tages gern mehr Filme drehen, doch die Leute bieten mir immer wieder die Rollen der Fieslinge an. Sie sind wohl der Meinung, ich hätte eine Schurkenvisage.«
In den 70er- und frühen 80er-Jahren dachte Mick darüber nach, größere Rollen zu spielen. »Er sehnt sich immer noch nach dem Durchbruch in seiner lange schon auf Sparflamme vor sich hinköchelnden Filmkarriere: etwas Glanzvolles, von dem man zehren kann«, schrieb Kurt Loder 1983 in einem Porträt. Inzwischen stand Mick bei der einflussreichen Creative Artists Agency (CAA) unter Vertrag und wollte sich ähnlich wie David Bowie, Cher und Dolly Parton als ernsthafter Musiker-Schauspieler etablieren. Außerdem hatte er begonnen, Drehbücher zu schreiben ( The Tin Soldier) und erwarb Vorkaufsrechte für Romanmanuskripte (Gore Vidals Kalki ) mit dem Hintergedanken, sie für die Leinwand zu adaptieren, die Filme zu produzieren und eine Rolle darin zu spielen. Es kursierten Gerüchte, dass er den verrückt-genialen Dichter und Schauspieler Antonin Artaud spielen würde (aus dessen Werk in Performance zitiert wird und der den Film zweifellos beeinflusst hat) und, so unglaublich es auch klingen mag, den Journalisten Fletch in der Verfilmung der Kultromane von Gregory McDonald (eine Rolle, die letztlich Chevy Chase gespielt hat). Er trat in einer Folge der gefeierten Faerie Tale Theatre -Serie der Schauspielerin Shelly Duval auf. In der Episode The Nightingale spielt Jagger einen chinesischen Herrscher mit Cockney-Akzent an der Seite von Bud Cort, Barbara Hershey und Eward James Olmos. In einer Szene unterhält er sich mit einem mechanischen Vogel. (»Let no one know you have a little bird who tells you everything; then all will go well with your kingdom.«) Ich habe weiß Gott schon Schlimmeres gesehen. Mick bewarb sich sogar um die Titelrolle in Miloš Formans Amadeus (die schließlich kongenial von Tom Hulce gespielt wurde).
Man könnte sicher behaupten, dass Mick Jagger nicht auf eine erfolgreiche Schauspielkarriere zurückblicken kann, weil es ihm am entsprechenden Talent mangelt. In Performance war er gut, weil er sich selbst gespielt hat, ebenso wie Madonna gut darin war, sich in Susan, verzweifelt gesucht selbst zu spielen oder Eminem, der das Gleiche in 8 Mile machte. Im schlimmsten Fall kaut Jagger auf seinem Text herum ( Ned Kelly ist das beste Beispiel für eine derart prätentiöse Darbietung). Es scheint so, als hätte irgendjemand ihn angewiesen, jeden Konsonanten durch die Zähne zu pressen. Als Schauspieler mimt Jagger ausschließlich mit seinem Mund und seinen Augen und scheint sich für jemanden mit einer ansonsten so bestechenden Bühnenpräsenz in seiner Haut erstaunlich unwohl zu fühlen. Madonna schauspielert genauso, ganz so, als gäbe es keine Schauspielschulen, in denen man das grundlegende Handwerk erlernen kann. Beide sind faszinierende Persönlichkeiten, die es schaffen, den Zuschauer selbst in überlangen Musikvideos mit Kurzfilmcharakter die ganze Zeit zu fesseln. Und doch erwischt man sie in Kinofilmen, die auf soliden Drehbüchern basieren, dabei, wie sie ihre Dialoge nach dem Motto runterrasseln: »Jetzt spreche ich. Ich kenne meinen Text und ich sage ihn zur rechten Zeit. Dann bist du dran, und ich werde antworten.« Beide haben sich mit den Jahren allerdings verbessert und scheinen sich als Schauspieler zunehmend wohler zu fühlen; im Fall von Madonna kann man sich in Snake Eyes und Evita davon überzeugen, in Micks Fall belegen die Charakterrollen, die er von Beginn der 90er-Jahre an spielte, diese Entwicklung.
© Morgan Creek Productions
Mick bei der Arbeit an seinem »Bösewicht«-Image während der Dreharbeiten zu Freejack , 1992.
Seine Verpflichtungen als Stones-Sänger haben Mick Jagger gewiss daran gehindert, seine Schauspielkarriere zielstrebig voranzutreiben. 1981 spielte er die Rolle des später aus dem Drehbuch gestrichenen Wilbur in Werner Herzogs Fitzcarraldo . Wilbur war in der Urfassung des Films der Gehilfe des zunächst von Jason Robarts gespielten Titelhelden. Dieser hatte es sich in den Kopf gesetzt, mitten im Amazonasdschungel ein Opernhaus zu errichten. Um dieses Vorhaben zu finanzieren, will er in den Kautschukhandel einsteigen. Aus diesem Grund kauft er ein Schiff, das er über einen Berg schaffen will, um so zu den gewinnbringenden Kautschukfeldern jenseits der
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