Mick Jagger: Rebell und Rockstar
New-York-Dolls-Sängers David Johansen vergleichen, der in Freejack die Rolle eines hinterhältigen Agenten spielt. Leider gibt es keine gemeinsame Szene mit Johansen und Jagger. Trotz des Staraufgebots war der Film kein Kassenschlager. »Obwohl wir Action nonstop sehen, ist das Ganze ungefähr so fesselnd wie eine schwarze Leinwand«, monierte die Washington Post . Alle anderen Stars, die daran mitgewirkt hatten, spielten in den folgenden Jahren in Blockbustern mit. Mit der Sportkomödie Mighty Ducks – Das Superteam landete Estevez einen weiteren Hit, dem noch zwei erfolgreiche Sequels folgten. Russo trat nicht nur in zwei Folgen von Leathal Weapon auf, sondern war auch an der Seite von Clint Eastwood in dem Actionthriller In the Line of Fire zu sehen. Anthony Hopkins wiederum sollte in den kommenden zehn Jahren noch zweimal in die Rolle des Hannibal Lecter schlüpfen. Mick stand zwei Jahre später auf der Voodoo Lounge -Tour wieder mit den Rolling Stones auf der Bühne und wurde erwartungsgemäß gefeiert. Dennoch dachte er nicht daran, sein Ziel, als seriöser Schauspieler ernstgenommen zu werden, einfach aufzugeben.
Nach Freejack ging er wieder dazu über, kleinere Rollen, die einen als Zuschauer mehr berühren, anzunehmen. Die Wahl dieser Rollen zeigt, dass er sich mit der Zeit immer mehr zutraute. Und so gelang es ihm in der zweiten Lebenshälfte, einigermaßen kontinuierlich als Schauspieler beschäftigt zu sein – und zwar als Charakterdarsteller in Nebenrollen, nicht als Hauptdarsteller. Unter anderem spielte er auch in der 1997 gedrehten Filmadaption des umstrittenen Theaterstücks Bent mit, das Martin Sherman Ende der 70er-Jahre geschrieben hatte. Die Handlung spielt in den 30er-Jahren in Berlin, wo Juden, Homosexuelle, Behinderte, Sinti und Roma von den Nationalsozialisten verfolgt werden. Mick spielt darin einen seriösen Geschäftsmann, der ein geheimes Doppelleben führt: Nach Einbruch der Dunkelheit schlüpft er in Frauenkleider und tritt unter dem Namen Greta in Nachtclubs auf. Ihm droht Gefängnis, wenn sein Doppelleben auffliegen würde.
© Redferns
Das Plakat zu dem 1970 in die Kinos gekommenen Film Ned Kelly , in dem Mick Jagger den Titelhelden spielt.
Als Erstes sehen wir Greta. Mit seinen nylonbestrumpften dünnen Beinen schaukelt er in einem Berliner Nachtclub auf einer überdimensionierten Vogelstange und singt eine Ballade im Stil von Marlene Dietrich. Dieser Auftritt ist zweitausend Lichtjahre von dem entfernt, was Mick jemals mit den Stones gemacht hat. Wie schon bei Werner Herzogs Dschungeldreh verzichtete er auch bei dieser Low-Budget-Produktion auf allerlei sonst übliche Annehmlichkeiten. Zusammen mit dem Regisseur Sean Mathias und anderen Mitwirkenden, zu denen auch Clive Owen und Sir Ian McKellen gehörten, besuchte er Workshops in London. »In der ersten Szene, als er auf diesem Trapez sitzt und runtergelassen wird, ist er zunächst in einer unglaublichen Höhe. Er war nervös und hatte Angst, aber er beschwerte sich nicht«, erinnert sich Mathias. »Er kam mit ein paar Leuten zum Set, eine Gruppe von Personen, die sich um seine Sicherheit und anderes kümmerten, aber er war sehr umgänglich. Er war sehr daran interessiert, den Film zu unterstützen.« Angesichts der homosexuellen Liebesszenen und des bedrückenden Themas verlangte die Arbeit an Bent Mick Jagger einiges ab. Zwangsläufig hat ihn die Mitwirkung an diesem Film von so manchem Fan entfremdet. »Ich glaube, das war eine mutige Wahl. Obwohl Bent einige Jahre zuvor bereits auf der Bühne zu sehen gewesen war, erhitzten sich an der Verfilmung Mitte der 90er-Jahre immer noch die Gemüter. Es ging um gelebte Homosexualität. Und dann ging es noch um all die Menschen, die keine Juden waren, und dennoch von den Nazis in Konzentrationslager deportiert und dort getötet worden sind. Das war der Rückblick auf die Geschichte, und dann gab es noch den Bezug zur Gegenwart. AIDS war damals in unserem Leben noch ein ungeheuer beherrschendes Thema. Das war zwar nichts Neues mehr, aber von seinem Schrecken hatte es nichts verloren.«
In Ein Mann für geheime Stunden übernahm Mick eine weitere anspruchsvolle Charakterrolle. Er spielt Luther, den Inhaber einer Callboy-Agentur, der zugleich der Mentor eines um Anerkennung ringenden Schriftstellers ist, der von Andy Garcia gespielt wird. Mick verleiht der melancholischen Figur eine gewisse emotionale Tiefe (im Laufe des Films stellt sich heraus, dass sich Luther, der einst selbst
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