Mick Jagger: Rebell und Rockstar
als Callboy arbeitete, in eine seiner ehemaligen Kundinnen verliebt hat, die seine Gefühle jedoch nicht erwidert). Es ist eine dieser aus dem Leben gegriffenen LA-Storys mit hölzernen Dialogen. Doch die Schauspieler machten das Beste aus dem Stoff, sodass am Ende ein geistreicher, tiefschürfender Film dabei herauskam. Man kann sich kaum vorstellen, dass ein anderer Rockstar als Mick zu einer ähnlichen Leistung fähig gewesen wäre. Doch wie schon zuvor Bent wurde auch Ein Mann für geheime Stunden von der Kritik kaum beachtet. Bis heute erhielt das meiste Kritikerlob Micks allererster Film Performance .
»Das, was ihm auf der Leinwand zusätzlich eine gewisse Wirkung verleiht, ist eigentlich ein Handicap. Er ist einfach berühmt; ganz gleich, welche Figur er spielt, es ist Mick Jagger, der sie spielt«, so Mathias. »In gewisser Weise geht es ihm wie vielen berühmten Hollywood-Stars: Man sieht in ihnen immer nur den Star selbst. Es mag sein, dass Greta Garbo die Kameliendame Marguerite Gautier brillant dargestellt hat, aber es ist immer Greta Garbo, die wir auf der Leinwand sehen. Dasselbe gilt für Humphrey Bogart, Tom Cruise oder Tom Hanks. Die großen Stars sind deshalb berühmt, weil sie uns das bieten, was wir von ihnen erwarten. Und mit Mick Jagger verhält es sich genauso, weil sich uns sein markantes Gesicht so eingeprägt hat – und weil seine Lippen so legendär sind. Das hat der Zuschauer jederzeit im Hinterkopf.«
Seine Produktionsfirma etablierte sich unterdessen. Mit Jagged Films produzierte er ebenfalls von der Kritik und den Zuschauern kaum wahrgenommene Filme wie Enigma oder den gefloppten The Women , ein Remake der George-Cukor-Komödie Die Frauen . Zusammen mit Martin Scorsese arbeitet er an einem Rockfilm mit dem Titel The Long Play , in dem er auch eine Hauptrolle spielen soll. Man schaue sich nur einmal an, welche Regisseure er dazu bewegen konnte, Rolling-Stones-Konzerte filmisch zu dokumentieren: Martin Scorsese und Hal Ashby. Mit Letzterem hatte er für den 1982 in die Kinos gekommenen Konzertfilm Let’s Spend the Night Together (der in Deutschland zunächst unter dem Titel Rocks Off! lief ) eng zusammengearbeitet; es war einer der letzten Filme des Regisseurs von Harold und Maude . »Das Verhältnis zwischen Mick und Hal war zweifellos enger als das zum Rest der Band«, sagt Rupert Prinz zu Löwenstein. »In Hals Augen verkörperte Mick die Band, und was die Wirkung im Film anbelangte, fand er ihn ohnehin interessanter als die anderen.« (Glaubt man Ashbys Biografem, so verhielt sich Keith Richards unkooperativ und war von den Kameras genervt.)
Wie jeden anderen Hollywood-Veteran hat man auch Mick Jagger mal über den grünen Klee gelobt und mal völlig verrissen, aber wirklich ernst genommen hat man ihn nie (Mick-Jagger-Filmfestivals sucht man vergeblich). Nichtsdestotrotz ist er bereits seit fünf Jahrzehnten im Geschäft. 2007 gab Keith Richards, der sich bis dato mit seiner Rolle als Musiker begnügt hatte, sein Leinwanddebüt als Vater des Piraten Jack Sparrow. Seine Besetzung verdankte er, wie Mick im Fall von Performance , seiner Popularität, und obschon sein Auftritt amüsant ist, verlangte ihm die Rolle kaum mehr ab, als sich einen Vollbart wachsen zu lassen. »Es geht nicht nur darum, ewig zu leben, Jackie«, sagt er mit seiner rauchigen Piratenstimme. »Der Trick ist, ewig mit sich selbst leben zu können.« Wenn der Film tatsächlich eine Form ewigen Lebens garantiert, dann hat Mick Jagger auch nach Performance als Schauspieler genügend hervorragende, gute und komplexe Arbeit geleistet, um seinen beharrlichen Ehrgeiz auf diesem Gebiet zu rechtfertigen. Dennoch wäre es schön, ihn eines Tages in einer Rolle zu sehen, nach der er sich sehnt. Er hat ja weit mehr zu bieten als nur eine Schurkenvisage.
DER
RED-
DEVILS-
BLUES
KAPITEL 19
W as immer auch der berühmte Musikproduzent Rick Rubin für andere Künstler getan hat, in erster Linie hat er es für sich selbst getan. 1993, ein gutes Jahrzehnt nachdem die Erfolgsgeschichte des Hip-Hop begonnen hatte, fand Rubin, dass sich einige althergebrachte Szenebegriffe abgenutzt hatten. Anfang der 90er war der Mitbegründer von Def Jam Recordings von New York nach Los Angeles gezogen, um dort den Label-Ableger Def American zu gründen, der so erfolgreiche Acts wie die Black Crowes unter Vertrag nahm. Eines Tages stellte Rubin fest, dass der Begriff »def«, der soviel bedeutet wie »cool«, offiziell in den englischen
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