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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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aber da hatten in seinem Fall Mick und Keith ja schon einiges an Vorarbeit geleistet, sodass das LSD nun auch noch den Rest auslöschte, der übriggeblieben war; zurück blieb nur die Hülle eines Popstars. Mehrfach wurde er seiner Freundin Anita Pallenberg (die bald schon seine Ex sein sollte) gegenüber gewalttätig. Brian Jones misstraute ihr und war überzeugt, dass Mick oder Keith oder noch schlimmer alle beide sie ihm ausspannen könnten, genauso wie sie ihm seine Führungsrolle in der Band streitig gemacht hatten, die er zusammen mit Ian Stewart gegründet hatte. Stewart war bereits degradiert worden. Und Brian war überzeugt, der Nächste zu sein. Anfang 67 hatte er die Welt verändert, aber er kam weder mit sich selbst noch mit anderen klar. Ein Lokal wie das Blaise’s konnte er kaum betreten, ohne dass es irgendwelchen Ärger gab – und der sollte auch in dieser Winternacht nicht lange auf sich warten lassen.
    In den Londoner Nachtclubs ging es schon lange nicht mehr darum, einfach nur zu tanzen, sich ein bisschen in Szene zu setzen und Cola zu trinken. Anfangs konnten Stars mit ihrem Gefolge dort noch unbehelligt Spaß haben; was zu ihren gelegentlichen Ausschweifungen beitrug, war der Allgemeinheit damals noch völlig unbekannt, sodass die Polizei und sensationsgeile Boulevardjournalisten erst gar nicht wussten, wonach sie überhaupt suchen sollten. Inzwischen waren die Stars nicht mehr so sicher. In den Augen des Establishments war das Swinging London anfangs entweder etwas völlig Abstraktes gewesen – wie ein Gerücht über schlechtes Benehmen, das man mit einem Schulterzucken abtat – oder eine aufdringliche Kitschwelt, die aus Beatles-Frisuren und jeder Menge Gaudi bestand. Dann kam Gras. Zur Jahreswende 66/67 folgte LSD, und da diese Droge die Wahrnehmung derer beeinflusste, die sie nahmen, veränderte sie auch die öffentliche Meinung über die Szene. Der Londoner Jugend tat sich jetzt eine Welt auf, in der brave englische Mädchen und Jungen mit verführerischen Ideen, verstörender Musik und hemmungslosem Sex konfrontiert wurden. Ihr schlimmster Feind war das LSD, denn während man dem Hasch irgendwann abschwören konnte, zerstörte LSD die Psyche nachhaltig.
    In den späten 60ern war LSD als Mittel zur Bewusstseinskontrolle sowohl von der amerikanischen als auch der britischen Regierung eingesetzt worden, sozusagen als Waffe im Kalten Krieg. Die Einzigen, vor denen sich diese Regierungen bis dato gefürchtet hatten, waren die Russen und die Chinesen gewesen, und nun drohte diese Droge redliche, gottesfürchtige Kapitalisten zu vergiften. Weil er die neue Droge pries und ihre Legalisierung forderte, stand auch Timothy Leary unter Beschuss. Jetzt hatten Eltern und Politiker ein neues Schreckgespenst und Medienmogule wie Rupert Murdoch ein neues Opfer gefunden: den intellektuellen, eigensinnigen Rockstar in der Nachfolge Dylans, der Kinder durch sein schlechtes Vorbild verdarb.
    Pink-Floyd-Produzent Joe Boyd schrieb in White Bicycles , seinem Rückblick auf die Sixties: »Die psychedelische Untergrundbewegung und die Popszene begannen zu verschmelzen, und es wurde immer schwieriger, die ursprüngliche Atmosphäre zu bewahren. Man konnte auch nicht einfach die erhöhte Aufmerksamkeit der Polizei ignorieren; je länger die Schlangen vor den Clubs waren, desto mehr Besucher wurden gefilzt und verhaftet. Die Presse berichtete nicht mehr wohlwollend über das ›Swinging London‹, vielmehr wurden geifernd Horrorgeschichten über Teenager verbreitet, die vom rechten Weg abgekommen waren.« Die alten gesellschaftlichen Fundamente begannen sich aufzulösen und diejenigen, die an den Hebeln der Macht saßen, bekamen es mit der Angst zu tun und brachten ihre Abneigung offen zum Ausdruck.
    »Wir waren schockiert über den Widerstand, der unseren progressiven Ideen entgegengebracht wurde«, erinnert sich die Journalistin, Künstlerin und Aktivistin Caroline Coon. »Das Establishment stellte sich unerbittlich gegen uns. Uns wegen Drogenmissbrauchs zu verhaften, war eine völlig legale Möglichkeit, gegen uns vorzugehen. Als sich die neuen Drogen verbreiteten, wurden sie verboten, um Schikanen gegen die politische und kulturelle Revolution zu legitimieren. Es war ein Kampf, sie gegen uns. Und als wir erkannten, dass die Polizei an der Überwachung und Bekämpfung unserer Bewegung beteiligt war, war uns auch klar, dass man uns beschattete, dass wir nicht paranoid waren und es so etwas wie Undercoveragenten

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