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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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und Wasser abzuschlagen. Es gab kein Klo an dieser englischen Tanke, also zogen sie sich in irgendeine Ecke zurück. Das haben wir alle schon gemacht. Aber sie waren nun mal die Rolling Stones. Das Establishment stürzte sich auf alles, was sich irgendwie als Anti-PR-Kampagne gegen die neue, aufkeimende Jugendkultur anbot, die von Bands wie den Beatles und den Stones verkörpert wurde. Diese Bands beeinflussten das Bewusstsein des britischen Establishments nachhaltig und nahmen sowohl den US-Imperialismus wie auch den allmählichen Niedergang der britischen Kultur durch die amerikanische Kitschkultur ins Visier.«
    Es war geradezu unheimlich, wie perfekt das unmissverständliche »Wir pissen, wo wir wollen« zum Image des bissigen Mick Jagger passte. Selbst die Musik des nächsten Stones-Albums Out of Our Heads , das im darauffolgenden Juli veröffentlicht wurde, schien teils vom selben Geist durchdrungen zu sein wie »Wir pissen, wo wir wollen«. Der Refrain von »I’m Free«, eine der Single-Auskopplungen des Albums, lautet: »I’m free to do what I want any old time« und verlangte »love me«, wenn auch nur, weil das Rollen-Ich so frei war. Und während Oldham die ganze Geschichte aufbauschte, prügelten die Medien auf ihn ein. Es war ein äußerst fragiles, explosives Konstrukt, dass die Band während der kommenden zwei Jahre fast zerstört hätte – nicht jedoch, bevor es sie groß hatte rauskommen lassen. Die Stones verkauften ihre Alben millionenfach, ebenso wie die Beatles, aber erst ein Jahr später konnten auch die Fab Four ein ähnliches »Wir pissen, wo wir wollen«-Ereignis für sich verbuchen. Es war im darauffolgenden März, als John Lennon Maureen Cleave vom Evening Standard Folgendes erklärte (was völlig aus dem Zusammenhang heraus gerissen zitiert wurde): »Das Christentum wird von der Bühne abtreten. Es wird erst immer bedeutungsloser werden und dann ganz verschwinden. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren; ich habe Recht und es wird sich zeigen, dass ich Recht habe. Wir sind heute populärer als Jesus …« Wann immer seit 1965 irgendein Popstar mit seiner Meinung über Politik, Philosophie oder wie John Lennon Religion – der Mutter aller heiklen Themen – einen Aufschrei der Moralapostel auslöst, klingt darin auch ein bisschen von Micks wütender Pinkelparole in jener Winternacht an der Tankstelle an. Lennon entschuldigte sich umgehend. Das machen die meisten so. Die Stones haben es nie getan. »Wir pissen, wo wir wollen« half ihnen, nach oben zu kommen, doch bald ernteten sie auch den Sturm für den Wind, den sie gesät hatten. Sie trugen nun das Kainsmal.

    © Michael Ochs Archives
    Sie pissen, wo sie wollen: Bill Wyman, Charlie Watts, Mick Jagger, Keith Richards, Brian Jones (v. l. n. r.).

UNTER
DEM
EINFLUSS
DER FREI-
LASSUNG
AUF
KAUTION
KAPITEL 6

  A  lles begann mit einer Verwechslung im Winter 1967. Brian Jones lehnte im damals angesagten Londoner Nachtclub Blaise’s an der Bar. Man hatte sich hier auf Konzerte mit aufwändiger Lightshow spezialisiert und sich als Zentrum der neuen Psychedelic-Rock-Szene etabliert. Im Blaise’s traten Bands wie Pink Floyd und die Jimi Hendrix Experience auf. Brian Jones, der ehemals blendend aussehende Bandleader, war an diesem Abend vollgepumpt mit Whisky und Beruhigungsmitteln und konnte sich nur noch torkelnd fortbewegen. Sein Gesicht war aufgedunsen. Und geistig wirkte der von Unsicherheit und krankhafter Eifersucht Geplagte immer verwirrter. Er hasste Mick und Keith dafür, weil sie ihm seine Führungsrolle bei den Stones streitig gemacht hatten. Die beiden hatten sich in den vergangenen zwei Jahren zu einem erstklassigen Songwriter-Gespann gemausert. Dass die Presse außerdem Mick nicht nur als das Gesicht der Stones, sondern als das der gesamten Londoner Szene feierte, kränkte das napoleonische Ego von Brian Jones zutiefst. Mick und Keith wiederum waren nicht sonderlich daran interessiert, ihn zu beschwichtigen; sie genossen ihre Sonderstellung in der Band und dass sie eine gewisse Macht über ihn hatten. Brian Jones fraß seinen Ärger in sich hinein und konsumierte beachtliche Mengen an Pillen, Gras, Hasch und Alkohol. Zudem war er neben John Lennon und Syd Barrett von Pink Floyd einer der ersten Popstars, die sich begeistert auf LSD stürzten. Doch Acid hatte alles andere als einen positiven Effekt auf seine ohnehin schon labile Psyche. Eine der Auswirkungen der Droge war nämlich, dass sie das Ego zerstörte,

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