Mick Jagger: Rebell und Rockstar
sich als die große Entdeckung in Barbarella entpuppt hatte, reiste sie nach Rom, wo gerade der Roman Candy verfilmt wurde (das Drehbuch dazu schrieb Keiths zukünftiger Saufkumpan Terry Southern, Regie führte der damals ebenfalls in Chelsea lebende Christian Marquand). Erneut versuchte Keith Richards, ihr die Mitarbeit an dem Film auszureden, indem er ihr Geld anbot. Besonders eifersüchtig war er angesichts einer Szene, die sie mit Marlon Brando drehen sollte (der noch lange vor den Zeiten der Political Correctness die Rolle des notgeilen indischen Gurus spielte). »Keith hatte gehört, dass Marlon Brando und ich eine Szene zusammen hatten. Also nahm er den ersten Flieger und kam vorbei. Es war die alte Leier, sodass ich letztendlich versuchte, meine Jobs immer so zu timen, dass sie in eine Zeit fielen, zu der Keith ebenfalls arbeitete.«
Paradoxerweise war ein Film, der viel näher an ihrem Wohnort gedreht wurde, derjenige, bei dem sowohl Brians als auch Keiths Befürchtungen völlig gerechtfertigt waren.
Schon seit Andrew Loog Oldhams Plan, Uhrwerk Orange zu verfilmen, gescheitert war, suchte Mick nach einem geeigneten Film, um sich als Schauspieler zu versuchen.
Gerade erst hatte John Lennon unabhängig von den Beatles eigene Wege beschritten, indem er die Rolle des Fußsoldaten Gripweed in Richard Lesters Wie ich den Krieg gewann übernahm. Der neue Film des Regisseurs von Yeah Yeah Yeah (Originaltitel: A Hard Days Night ) und Hi-Hi-Hilfe! (Originaltitel: Help! ) war eher von der makaberen Sorte, ähnlich wie Kubricks Dr. Seltsam oder die einige Jahre später gedrehten Antikriegssatiren Catch-22 und M*A*S*H von Robert Altman. Lennon erläutert darin in einem Monolog, während er blutüberströmt mitten auf dem Schlachtfeld steht, warum er sich freiwillig gemeldet hat. Durch diese kurze Sequenz hebt er sich von allen anderen Rock- und Popstars ab, die es ebenfalls mit der Schauspielerei probiert haben – abgesehen vielleicht von Elvis in Mein Leben ist der Rhythmus und Frank Sinatra in Der Mann mit dem goldenen Arm . Marianne Faithfull und einige andere aus Micks Umfeld, die ahnten, dass der zeitgenössische Film in Richtung eines düsteren, makaberen Realismus tendieren würde, rieten dem Stones-Sänger zur Wahl eines entsprechenden Drehbuchs. Als ihm sein Freund Donald Cammell, ein Maler, der sich ebenfalls in der Künstlerszene und den besseren Kreisen Chelseas bewegte, von einem Drehbuch mit dem Titel The Performers erzählte, an dem er mitgearbeitet hatte, versprach Mick ihm, es zu lesen. Cammell hatte denselben Agenten wie Mick. Marlon Brando, ein weiterer guter Freund von ihm, hatte Interesse an der Hauptrolle bekundet, die Figur des Chas, der für die Drecksarbeit einer Ostlonderer Gangstertruppe zuständig ist (und daher »Performer« genannt wird). Nachdem er seinen letzten Job vermasselt hat, ist er auf der Flucht. Er findet schließlich ein Versteck bei dem emotional gestörten Rockstar Turner, der verzweifelt versucht, seine Inspirationskraft zurückzugewinnen, und dessen dekadenter Freundin Pherber (sowie einigen weiteren Mitbewohnern). Turner war die ideale Rolle für Mick, weil er sich damit nicht zu weit von seiner eigenen Lebensrealität entfernen musste, zugleich war der Film gewagt und das Thema versprach reichlich Aufmerksamkeit zu erregen.
Jaggers Filmdebüt zu finanzieren war ein Leichtes; damals scherte sich ohnehin offenbar niemand um die Einzelheiten des Drehbuchs: schwer festzulegende Genderidentitäten, Orgien, intravenöser Drogenkonsum und blutige Gewalt.
Cammell war gewitzt genug, Anita Pallenberg die Rolle von Turners Freundin Pherber anzubieten. Er wusste, dass die interne Machstruktur bei den Stones äußerst instabil war, nachdem sie sich von Brian getrennt hatte und mit Keith zusammengezogen war. Cammell kannte Anita Pallenberg aus der europäischen Kunstszene und High Society und vermutete völlig zu Recht, dass ihr das radikale Skript gefallen würde. Die Rolle der Pherber war die bedeutendste ihrer bisherigen Karriere und ihre erste wirkliche Hauptrolle. Sie ist in annähernd jeder Szene des zweiten und dritten Akts zu sehen und verwandelt sich gewissermaßen in die Erzählerin, wenn sie Chas aufzieht und zur Sprecherin des immer unverständlicher, eitler und gefühlloser werdenden Turners wird, dessen folgenschwerste Äußerungen bald Fragen sind wie »Glaubst du, ich sollte mir die Haare waschen?«
Obwohl Marlon Brando absprang und durch James Fox ersetzt wurde,
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