Mick Jagger: Rebell und Rockstar
einen weiteren engen Freund von Mick und Cammell, beeinflusste Brandos ureigenes Method Acting die Produktion von Anfang an. Fox tauchte rasch in die Londoner Gangsterszene ab, lernte von Handlangern der berüchtigten Kray-Brüder, lungerte in Nachtclubs und bei Boxkämpfen herum, wo sich die schweren Jungs trafen, und wurde langsam selbst zu einem leicht reizbaren Schlägertypen.
Der Film, der unter dem Titel Performance in die Kinos kam, zeigte ebenso wie Michelangelo Antonionis Blow Up die dunkle Seite des Swinging London, wo »acid, booze and ass« durch »needles, guns and grass« ersetzt wurden, um es mit den Worten Joni Mitchells aus dem Titelsong ihres Albums Blue aus dem Jahr 1971 zu sagen. Pherber war ein Junkie und 1968 war Heroin aus der Londoner Kunstszene nicht mehr wegzudenken. Eric Clapton hing ebenso an der Nadel wie John Lennon und Yoko Ono. Mit der Droge assoziierte man eine gewisse Dekadenz, was nicht nur zum immer stärker werdenden Personenkult um Anita Pallenberg passte, sondern auch ihren persönlichen Neigungen entsprach. Es passt ins Bild, dass sie und Keith sich in den marokkanischen Opiumhöhlen erstmals näher kamen.
© Jens Glargard – Ipol – Globe Photo/Zuma Press
Geklärte Verhältnisse: Mick allein voraus, dahinter das glückliche Paar Keith und Anita und deren Sohn Marlon in Schweden, 1970.
Als Mick erkannte, dass sich Fox in Chas verwandelt hatte und Pallenberg und Pherber ohnehin identisch waren, zog er daraus die Schlussfolgerung, dass auch er zu Turner werden musste. Doch in mancherlei Hinsicht war er immer noch der Sohn eines Sportlehrers aus der Provinz. Gegen eine Prise Koks auf einer Party war nichts einzuwenden, ebenso wenig gegen ein paar Pillen oder einen Joint, aber harte Drogen waren für ihn tabu. Im Grunde seines Herzens war Mick um einiges aufgeräumter als Turner, und zu guter Letzt war ein Film ja nur ein Film, oder nicht? »Was immer du tust, versuche nicht, dich selbst zu spielen«, diesen Rat gab Marianne Faithfull Mick während der Vorbereitung auf seine erste Filmrolle. »Du bist viel zu gefestigt, zu geradlinig, zu stark. Du musst dir vorstellen, du wärst Brian: der arme, paranoide, verblendete, androgyne, drogensüchtige Brian. Aber es muss auch ein bisschen Keith darin sein, etwas von seiner taffen, selbstzerstörerischen, bewundernswerten Gesetzlosigkeit. Du musst zu einer Symbiose aus Keith und Brian werden, die nach dem Ende der Stones in ihren famosen Anwesen hausen und über alles Geld der Welt verfügen, ohne zu wissen, wofür sie es ausgeben sollen.« Und so beschloss er, Brian und Keith nachzuahmen; und ebenso wie Fox sich auf die Gangster eingelassen hatte, ließ er sich folgerichtig auf Anita Pallenberg ein – mit Haut und Haaren wohlgemerkt. Das war sein Zugeständnis ans Method Acting. Marianne Faithfull zufolge soll sich Mick sogar die Haare »Chinese black« gefärbt haben. Paradoxerweise tauchte Mick in genau dem Moment ins Reich der Finsternis ab, als seine Beziehung zu Marianne Faithfull so harmonisch war wie nie zuvor. Die beiden lebten immer noch am Cheyne Walk, nur wenige Schritte von dem Haus entfernt, in dem Keith und Anita wohnten. Mick konnte jederzeit rübergehen und an Keiths gelbem Flügel an neuen Songs arbeiten. Er wollte mit Marianne eine Familie gründen; Anfang 68 war sie schwanger geworden, und als sie erfuhren, dass es ein Mädchen werden sollte, einigten sie sich gemeinsam auf den Namen Corinna. Auch Keith und Anita begannen, an Familienplanung zu denken. Es schien, als bräche gerade eine neue, reifere Ära an für die beiden wichtigsten Stones und die Frauen, die sie liebten. Und dann begannen die Dreharbeiten.
Als Keith Cammells Drehbuch las und feststellte, dass laut Skript sein bester Freund und seine Partnerin Bad und Bett miteinander teilen sollten, rastete er aus und fühlte sich persönlich angegriffen. Er, der keinerlei gesellschaftliche Ambitionen hatte und sich nichts aus der High Society von Chelsea machte, konnte Cammell nicht ausstehen. Was dem Ganzen in Keiths Augen die Krone aufsetzte war, dass Cammell sich nicht damit begnügte, Anita Pallenberg und Mick zu verkuppeln, sondern er ihnen außerdem noch diese sonderbare »Lucy« zur Seite stellte. Der einzige Daseinszweck der von der knabenhaften Michèle Breton (eine von Cammells Eroberungen) dargestellten Figur scheint darin zu bestehen, andere zu schockieren und zu verwirren. Keith befand sich in einem Dilemma. Wenn er Anita bat, sich nicht auf
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