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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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weder Gitarre noch Schlagzeug oder Bass spielen. Und es ist fraglich, ob die Stones eine Frau in ihrer Band aufgenommen hätten. Aber wenn sie es getan hätten, dann wäre Anita zweifellos die Frau ihrer Wahl gewesen.«
    Anita Pallenbergs Konzept für die Stones war annähernd so komplex wie das von Oldham. »Ich glaube, ich bin so etwas wie der sechste Rolling Stone. Mick und Keith und Brian brauchen mich, damit ich sie an die Hand nehme, sie kritisiere und sie auf neue Ideen bringe«, erklärte sie Tony Sanchez. Und sie fügte hinzu: »Ich bin sicher, dass jeder von ihnen die Band für mich auflösen würde. Es ist ein seltsames Gefühl.«
    Mitte bis Ende der 60er-Jahre schien dies bei den Stones durchaus die Regel zu sein. Damals befand sich die Band auf der Höhe ihres Erfolgs. Wer immer in Anitas Gunst stand, war irgendwie auch der Einflussreichste in der Band. Und wer nicht in ihrer Gunst stand, wollte sie für sich gewinnen; im besten Fall hegte er eine unglückliche Faszination für sie, im schlechtesten litt er an selbstzerstörerischer Eifersucht. Diejenigen, die sie besessen und verloren hatten, hatten auch ihren »Dämon« verloren. Sie wusste alles über Dämonen.
    Anita Pallenberg war so etwas wie das Muschelhorn aus William Goldings allegorischem Roman Der Herr der Fliegen aus dem Jahr 1954. Die Stones waren in diesem Bild die Gruppe gestrandeter englischer Schuljungen, die versuchte, eine gewisse Ordnung in ihre Welt voller Drogen, Rangordnung und Unterdrückung zu bringen. Anita gab ihnen etwas an die Hand, mit dem sie sich gegen das »Monster« aus dem Wald zur Wehr setzen konnten. Wer sie besaß, herrschte über das Land. Wenn er das Land nicht halten konnte, war eine Meuterei unabwendbar.
    Anita Pallenberg wurde im Januar 1944 in Rom geboren. Ihre Erziehung basierte auf den klassischen europäischen Bildungsidealen. Ihr Vater, ein wohlhabender Reiseveranstalter, schickte sie auf ein angesehenes deutsches Internat. Wegen zu vieler unentschuldigter Fehlstunden wurde sie der Schule verwiesen, blieb jedoch in München, um Kunst zu studieren. Ende der 50er-Jahre, zur Blütezeit des dolce vita , kehrte sie nach Rom zurück, freundete sich mit Anfang zwanzig mit zahlreichen Schauspielern, Models und Künstlern aus dem Umfeld von Frederico Fellini an und sprach für Filmrollen vor. Dekadent, bisexuell, blond, intelligent und wissbegierig wie sie war, hatte sie bereits reichlich Erfahrung darin, Männer wie Frauen gleichermaßen zu bezirzen. Es gibt Menschen, die haben eine fast übernatürliche Gabe, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Sie verfügen wohl über so etwas wie den siebten Sinn, ein besonderes Talent. Wenig später begegnete man Pallenberg bereits in Greenwich Village, wo sie modelte und sich mit Allen Ginsberg, den aufstrebenden Stars der Warhol Factory und der Truppe des radikal experimentellen Living Theatre anfreundete, bevor sie wieder nach Europa zurückkehrte. Hier besuchte sie am 14. September 1965 in München ihr erstes Rolling-Stones-Konzert. Hinter der Bühne lernte sie Brian Jones kennen, der damals schon langsam die Nerven verlor angesichts seines sich abzeichnenden Bedeutungsverlusts innerhalb der Band. Was er zu ihr sagte, ist legendär: »Ich weiß nicht, wer du bist, aber ich brauche dich.« Von dem Augenblick an waren sie unzertrennlich.
    Rein optisch waren sie mit ihrem glänzenden blonden, identisch frisierten Haar das perfekte Paar. Auf Fotografien aus dieser Zeit scheint Jones tatsächlich mit ihr zu verschmelzen. Als die Stones ihre Europa-Tournee fortsetzten, reiste Pallenberg mit oder sie traf sich mit der Band bei Konzerten, auf denen kreischende Teenager noch immer an der Tagesordnung waren. Eine Zeit lang half sie Brian Jones, seine Position innerhalb der Band wieder zu festigen. Sie brachte ihn auf frische Ideen, was ihm half, sich selbst als den verwegensten, skandalösesten und kühnsten der Stones zu betrachten. Er amüsierte sich bei Orgien und SM-Spielchen, wogegen Mick und Keith im Vergleich dazu wie regelrechte Provinzdeppen wirken. Wie zu der Zeit, als sie sich kennengelernt hatten – Brian war damals ja schon Vater von drei Kindern –, faszinierte und verstörte sie sein exzessiver Lebensstil.

    © Cecil Beaton/Retna Ltd.
    Bei den Dreharbeiten zu Performance mit Anita Pallenberg, die einflussreiche Stones-Muse, die neben Mick Jagger eine der Hauptrollen spielte, 1968.
    Aber wie Ralph in Der Herr der Fliegen war Brian Jones nicht lange genug im

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