Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
durch. Das gehört zu meinen Aufgaben.«
»Wie viele Namen standen am Morgen von Mitchell Bondurants Ermordung in dieser Akte?«
»Ich habe sie nicht gezählt, aber ich würde sagen, etwa zwei Dutzend.«
»Und das waren lauter ernstzunehmende Drohungen gegen die Bank oder ihre Mitarbeiter?«
»Nein, hier halten wir es so, dass jede Drohung, die wir erhalten, in die Akte kommt. Unabhängig davon, wie ernst sie zu nehmen ist. Sie kommt auf jeden Fall in die Akte. Allerdings gelten die meisten von ihnen als nicht allzu schwerwiegend, sondern nur als Leute, die Dampf ablassen und ihren Frust abreagieren wollen.«
»Welcher Name stand, was die Ernsthaftigkeit der von ihm ausgehenden Bedrohung angeht, an besagtem Morgen ganz oben auf dieser Liste?«
»Lisa Trammel, die Angeklagte.«
Um der Wirkung willen machte Freeman eine Pause. Ich beobachtete die Geschworenen. Fast aller Augen waren auf meine Mandantin gerichtet.
»Warum war das so, Mr. Modesto? Hatte sie eine spezielle Drohung gegen die Bank oder einen ihrer Mitarbeiter ausgesprochen?«
»Nein, das hat sie nicht. Aber sie prozessierte wegen einer Zwangsversteigerung mit der Bank und hatte immer wieder vor der Bank demonstriert, bis ihr unsere Anwälte mittels einer einstweiligen Verfügung untersagen konnten, sich der Bank bis auf eine bestimmte Entfernung zu nähern. Es waren ihre Handlungen, die wir als Bedrohung betrachteten, und wie es aussieht, lagen wir mit unserer Einschätzung richtig.«
Ich sprang auf und legte Einspruch ein. Ich bat den Richter, den letzten Teil von Modestos Aussage streichen zu lassen, da er aufhetzerisch sei und Vorurteilen Vorschub leiste. Der Richter gab dem Einspruch statt und ermahnte Modesto, derlei Meinungen für sich zu behalten.
»Mr. Modesto«, fuhr Freeman darauf fort, »wissen Sie, ob Lisa Trammel irgendeinem Mitarbeiter der Bank, zum Beispiel auch Mitchell Bondurant, direkt gedroht hat?«
Regel Nummer eins lautet, alle Schwächen in Vorteile umzumünzen. Deshalb stellte Freeman jetzt meine Fragen und beraubte mich damit der Möglichkeit, sie mit meiner eigenen Entrüstung aufzuladen.
»Nein, nicht ausdrücklich. Aber in Sachen Bedrohungseinschätzung hatten wir den Eindruck, dass sie jemand war, den wir im Auge behalten sollten.«
»Danke, Mr. Modesto. Wem vom LAPD haben Sie diese Akte gegeben?«
»Detective Kurlen, dem leitenden Ermittler. Ich bin damit direkt zu ihm gegangen.«
»Und hatten Sie später an diesem Tag noch einmal Gelegenheit, mit Detective Kurlen zu sprechen?«
»Wir haben im weiteren Verlauf der Ermittlungen mehrere Male miteinander gesprochen. Er hatte einige Fragen zu den Überwachungskameras im Parkhaus und zu anderen Dingen.«
»Haben Sie sich ein zweites Mal von sich aus an ihn gewandt?«
»Ja, als mir zur Kenntnis kam, dass eine unserer Mitarbeiterinnen, eine Kassiererin, ihrer Vorgesetzten gemeldet hatte, Lisa Trammel an besagtem Morgen in der Nähe oder sogar auf dem Gelände der Bank gesehen zu haben. Ich fand, darüber müsste auch die Polizei in Kenntnis gesetzt werden. Deshalb rief ich Detective Kurlen an und arrangierte einen Vernehmungstermin mit der Kassiererin.«
»Und das war Margo Schafer?«
»Ja.«
An dieser Stelle beendete Freeman ihre Befragung und stellte den Zeugen mir zur Verfügung. Ich hielt es für das Beste, mich nicht lange mit ihm aufzuhalten, sondern nur ein paar Samen zu säen und später zurückzukommen, um sie zu ernten.
»Mr. Modesto, hatten Sie in Ihrer Funktion als Leiter der firmeneigenen Sicherheitsabteilung von WestLand National Einblick in die Zwangsversteigerungsmaßnahmen, die Ihre Bank gegen Lisa Trammel ergriffen hatte?«
Modesto schüttelte energisch den Kopf.
»Nein, das war eine rechtliche Angelegenheit, mit der ich nichts zu tun hatte.«
»Als Sie also Detective Kurlen diese Akte mit Lisa Trammels Namen ganz oben auf der Liste gaben, konnten Sie nicht wissen, ob sie ihr Haus verlieren würde oder nicht, richtig?«
»Das ist richtig.«
»Sie konnten demnach nicht wissen, ob die Bank gerade dabei war, die Zwangsvollstreckung rückgängig zu machen, weil sie mit ihrer Durchführung eine Firma beauftragt hatte, die sich dabei betrügerischer Praktiken …«
»Einspruch!«, kreischte Freeman. »Geht von nicht erwiesenen Vermutungen aus.«
»Stattgegeben«, sagte Perry. »Mr. Haller, seien Sie bitte vorsichtig.«
»Ja, Euer Ehren. Mr. Modesto, haben Sie Detective Kurlen, als Sie ihm die Bedrohungsakte gegeben haben, ausdrücklich
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