Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
haben gesagt, Sie waren zu Hause, als Detective Kurlen und seine Partnerin zu Ihnen gekommen sind. Was haben Sie in diesem Moment gemacht?«
»Ich war … ich habe am Computer gesessen. Mails schreiben.«
»Aha. An wen?«
»An meine Freunde. An Leute von FLAG. Ich habe ihnen geschrieben, dass wir uns morgen um zehn vor dem Gericht treffen und dass sie die Transparente mitbringen sollen.«
»Okay. Und als die Detectives aufgetaucht sind, was genau haben sie zu Ihnen gesagt?«
»Geredet hat nur der Mann. Er …«
»Kurlen.«
»Ja. Er ist reingekommen und hat mich Verschiedenes gefragt. Dann hat er gefragt, ob ich was dagegen hätte, auf die Wache mitzukommen und ihnen dort eine Reihe von Fragen zu beantworten. Und als ich wissen wollte, weshalb, hat er gesagt, wegen Mitch Bondurant. Aber dass er tot ist und sogar umgebracht worden ist, darüber hat er kein Wort gesagt. Deshalb habe ich eingewilligt. Ich dachte, die Polizei würde endlich doch noch gegen ihn ermitteln. Ich wusste ja nicht, dass sie gegen mich ermitteln.«
»Und hat Sie Kurlen auf Ihre Rechte aufmerksam gemacht: dass Sie zum Beispiel nicht mit ihm sprechen müssten und einen Anwalt verlangen könnten?«
»Ja, es war wie im Fernsehen. Er hat mich auf meine Rechte aufmerksam gemacht.«
»Wann genau?«
»Als wir schon hier waren, als er mir gesagt hat, dass ich verhaftet bin.«
»Sind Sie mit ihm hierhergefahren?«
»Ja.«
»Und haben Sie im Auto mit ihm gesprochen?«
»Nein, er hat fast die ganze Fahrt über telefoniert. Er hat Dinge gesagt wie ›Ich habe sie dabei‹ und so.«
»Haben sie Ihnen Handschellen angelegt?«
»Im Auto? Nein.«
Clever von Kurlen. Damit sie keinen Verdacht schöpfte und er sie so weich bekam, dass sie sich bereit erklärte, mit ihm zu reden, hatte er riskiert, mit einer Mordverdächtigen im Auto zu sitzen, ohne ihr Handschellen anzulegen. Eine bessere Mausefalle konnte man nicht bauen. Außerdem ermöglichte es der Anklage, sich darauf zu berufen, dass Lisa zu diesem Zeitpunkt noch nicht verhaftet gewesen war und ihre Aussagen deshalb freiwillig gemacht hatte.
»Dann wurden Sie also hierher gebracht, und Sie haben sich bereit erklärt, mit ihm zu reden?«
»Ja. Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie mich festnehmen wollten. Ich dachte, ich sollte ihnen bei ihren Ermittlungen helfen.«
»Aber Kurlen hat Ihnen nicht gesagt, was das für Ermittlungen waren?«
»Nein, mit keinem Wort. Nicht, bis er gesagt hat, ich wäre verhaftet und dass ich einen Anruf machen könnte. Dann haben sie mir auch Handschellen angelegt.«
Kurlen hatte einige der ältesten Tricks aus der Trickkiste gezogen, aber sie waren genau deshalb noch in der Trickkiste, weil sie funktionierten. Um mir Klarheit zu verschaffen, was genau Lisa – wenn überhaupt – den Detectives gegenüber zugegeben hatte, musste ich mir die DVD ansehen. Hätte ich sie jetzt, in ihrem aufgelösten Zustand, danach gefragt, wäre das nicht die beste Nutzung meiner begrenzten Zeit gewesen. Wie um diesen Gedanken zu unterstreichen, ertönte unvermutet ein schroffes Klopfen, gefolgt von einer gedämpften Stimme, die mich darauf hinwies, dass ich noch zwei Minuten hätte.
»Also gut, Lisa, ich werde mich der Sache annehmen. Zunächst müssen Sie mir allerdings ein paar Dinge unterschreiben. Zuallererst einen neuen Vertrag, der auch Ihre strafrechtliche Verteidigung einbezieht.«
Ich schob ihr das einseitige Dokument zu und legte einen Stift darauf. Sie begann, es zu überfliegen.
»So viel Honorar?«, sagte sie. »Hunderttausend Dollar für einen Prozess? Das kann ich Ihnen unmöglich zahlen. So viel Geld habe ich nicht.«
»Das ist das Standardhonorar, und es ist nur fällig, wenn es zum Prozess kommt. Und was die Frage angeht, wie viel Sie zahlen können: Dafür sind die anderen Schriftstücke da. Dieses hier überträgt mir die Anwaltsvollmacht und ermöglicht mir, Buch- und Filmrechte und was sich sonst an Einkommensmöglichkeiten aus dem Fall ergibt zu akquirieren. Ich habe einen Agenten, mit dem ich in solchen Fällen zusammenarbeite. Wenn irgendwelche seriösen Angebote eingehen, leitet er die nötigen Schritte in die Wege. Der letzte Vertrag sichert mir das Pfandrecht auf jegliche derartigen Einkünfte zu; das heißt, die Verteidigung wird als Erste entschädigt.«
Ich wusste, dass der Fall für Aufsehen sorgen würde. Die Zwangsversteigerungsepidemie war zur Zeit die größte finanzielle Katastrophe des Landes. Deshalb sprang dabei vielleicht ein
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