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Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Titel: Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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in Mordfällen die Kaution in der Regel im siebenstelligen Bereich bewegte und somit für Normalsterbliche unerschwinglich war. Meine Mandantin war eine arbeitslose alleinerziehende Mutter mit einem zur Zwangsversteigerung ausgeschriebenen Haus. Eine Kaution in Millionenhöhe bedeutete, dass Lisa nicht aus dem Gefängnis kommen würde.
    Um den Medien entgegenzukommen, hatte Richter Stephen Fluharty den Fall Trammel ganz oben auf die Liste der Anhörungen gesetzt. Staatsanwältin Andrea Freeman, die dem Fall zugeteilt worden war, verlas die Anklagepunkte, und der Richter beraumte die erste Verhandlung für die kommende Woche an. Bis dahin würde Trammel nichts gegen die Anschuldigungen vorbringen. Die Routineprozeduren waren rasch erledigt, und Fluharty wollte schon eine kurze Pause ansetzen, damit die Medien ihr Equipment zusammenpacken und den Saal verlassen konnten, als ich ihn unterbrach und den Antrag stellte, eine Kaution für meine Mandantin festzusetzen. Der zweite Grund für diese Maßnahme war, dass ich sehen wollte, wie die Anklage darauf reagieren würde. Hin und wieder hatte ich Glück, und der Staatsanwalt verriet etwas über die Beweislage oder seine Prozessstrategie, wenn er für eine hohe Kaution plädierte.
    Aber Freeman war zu vorsichtig, um diesen Fehler zu begehen. Sie führte an, Lisa Trammel sei eine Gefahr für die Allgemeinheit und solle in Haft verbleiben, bis das Verfahren weiter gediehen sei. Sie machte geltend, das Opfer der Straftat sei nicht die einzige Person, die an der Zwangsversteigerung von Lisa Trammels Haus beteiligt sei, sondern nur ein Glied einer Kette. Würde Trammel von der Haft befreit, könnten andere Personen oder Einrichtungen in dieser Kette gefährdet werden.
    Das war nichts großartig Neues. Von Anfang an hatte alles darauf hingedeutet, dass die Anklage die Zwangsversteigerung als das Motiv für die Ermordung Mitchell Bondurants anführen würde. Freeman sagte gerade genug, um die Ablehnung einer Kaution überzeugend zu begründen, und verriet zugleich wenig über die Strategie, die sie beim Prozess befolgen würde. Sie war gut, und wir waren schon in mehreren Verfahren gegeneinander angetreten. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich jedes Mal verloren.
    Als ich an die Reihe kam, führte ich an, es gebe keine Anzeichen, geschweige denn Beweise, dass Trammel eine Gefahr für die Allgemeinheit sei oder dass ein Fluchtrisiko bestehe. In Ermangelung solcher Beweise könne der Richter der Mandantin eine Kaution nicht verwehren.
    Fluharty fällte ein salomonisches Urteil. Er kam der Verteidigung entgegen, indem er die Festsetzung einer Kaution verfügte, und verhalf der Anklage zu einem kleinen Sieg, indem er sie auf zwei Millionen Dollar festsetzte. Das lief darauf hinaus, dass sich nichts an Lisas Situation ändern würde. Sie bräuchte zwei Millionen in Sicherheiten oder einen Kautionsbürgen. Ihr zehnprozentiger Anteil an der Bürgschaft würde sie zweihunderttausend Dollar in bar kosten, und das war utopisch. Sie würde im Gefängnis bleiben.
    Schließlich setzte der Richter eine Pause an, und das verhalf mir zu ein paar zusätzlichen Minuten mit Lisa, bevor sie von den Deputys aus dem Saal gebracht wurde. Während die Journalisten abzogen, schärfte ich ihr noch einmal rasch ein, den Mund zu halten.
    »Jetzt, wo sich die Medien auf den Fall stürzen werden, ist das sogar noch wichtiger, Lisa. Möglicherweise werden sie versuchen, im Gefängnis Kontakt mit Ihnen aufzunehmen – entweder direkt oder über andere Häftlinge oder über Besucher, von denen Sie glauben, Sie könnten ihnen vertrauen. Deshalb, immer daran denken …«
    »Kein Wort zu niemand. Schon klar.«
    »Gut. Außerdem wollte ich Ihnen noch sagen, dass ich mich heute Nachmittag mit meinem Mitarbeiterstab zusammensetzen werde, um über den Fall zu sprechen und eine Verteidigungsstrategie zu entwerfen. Fällt Ihnen vielleicht noch irgendetwas ein, was wir dabei besonders beachten sollten? Etwas, das uns weiterbringen könnte?«
    »Ich hätte nur noch eine Frage, und zwar an Sie.«
    »Ja, was?«
    »Wieso fragen Sie mich nicht, ob ich es war?«
    Ich sah einen der Deputys in den abgesperrten Bereich kommen und hinter Lisa stehen bleiben, um sie in ihre Zelle zurückzubringen.
    »Das muss ich Sie nicht fragen, Lisa«, sagte ich. »Ich muss die Antwort nicht wissen, um meinen Job zu machen.«
    »Finden Sie das nicht auch ein bisschen wenig? Ich weiß nicht, ob ich mich von einem Anwalt verteidigen lassen

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