Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
Buch, wenn nicht sogar ein Film heraus, so dass ich am Ende doch zu meinem Geld käme.
Sie griff nach dem Stift und unterzeichnete die Dokumente, ohne sie zu lesen. Ich nahm sie wieder an mich und packte sie weg.
»So, Lisa. Was ich Ihnen jetzt sage, ist der wichtigste Rat überhaupt. Deshalb hören Sie mir bitte genau zu und sagen Sie mir zum Schluss, ob Sie alles verstanden haben.«
»Okay.«
»Sprechen Sie mit niemandem über diese Sache. Mit niemandem außer mit mir. Mit keinem Polizisten, keinem Gefängniswärter, keinem Mitgefangenen. Sprechen Sie nicht einmal mit Ihrer Schwester oder Ihrem Sohn darüber. Jedes Mal, wenn Sie jemand danach fragt – und glauben Sie mir, man wird Sie danach fragen –, sagen Sie einfach, Sie dürfen nicht über Ihren Fall sprechen.«
»Aber ich habe doch gar nichts getan. Ich bin unschuldig! Nichts sagen nur die Leute, die schuldig sind.«
Ich hob mahnend den Finger.
»Nein, da täuschen Sie sich, Lisa, und ich habe den Eindruck, dass Sie nicht ernst nehmen, was ich sage.«
»Nein, das stimmt nicht, das tue ich sehr wohl.«
»Dann tun Sie auch, was ich Ihnen sage. Reden Sie mit niemandem. Und das gilt auch für das Telefon im Gefängnis. Alle Telefongespräche werden aufgezeichnet, Lisa. Sprechen Sie auf keinen Fall am Telefon über diese Sache, auch nicht mit mir.«
»Schon gut, schon gut. Ich habe verstanden.«
»Wenn Sie meinen, Ihnen ist wohler bei der Sache, können Sie ja alle Fragen so beantworten: ›Ich bin in allen Anklagepunkten unschuldig, aber auf Anraten meines Anwalts werde ich mich nicht zu dem Fall äußern.‹ Wäre das okay für Sie?«
»Doch, ich glaube schon.«
Die Tür ging auf, und Kurlen stand da. Sein argwöhnischer Blick verriet mir, dass es gut gewesen war, den Paquin-Blocker mitzunehmen. Ich sah wieder Lisa an.
»So, Lisa, bevor es gut wird, wird es erst mal schlecht. Halten Sie also die Ohren steif und befolgen Sie die goldene Regel. Kein Wort zu niemand.«
Ich stand auf.
»Das nächste Mal werden wir uns wiedersehen, wenn Sie zum ersten Mal einem Richter vorgeführt werden. Dann können wir uns auch ausführlicher unterhalten. Und jetzt gehen Sie mit Detective Kurlen.«
4
A m nächsten Morgen wurde Lisa Trammel zum ersten Mal dem Los Angeles Superior Court vorgeführt. Die Anklage lautete auf Mord ersten Grades, und da die Staatsanwaltschaft als erschwerende Umstände aufgeführt hatte, dass sie dem Opfer aufgelauert hatte, musste sie mindestens mit einer lebenslangen Haftstrafe ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung, wenn nicht sogar mit der Todesstrafe rechnen. Letztere setzte die Anklage als Druckmittel ein. Mir war klar, dass die Staatsanwaltschaft die Sache am liebsten mit einer Verständigung im Strafverfahren, einem sogenannten »Deal«, aus der Welt geschafft hätte, bevor die Sympathien der Öffentlichkeit zugunsten der Angeklagten umschlugen. Welche bessere Möglichkeit, dies zu erreichen, hätte es gegeben, als der Angeklagten mit »lebenslänglich« oder gar der Todesstrafe zu drohen?
Der Gerichtssaal war voll von Medienvertretern sowie FLAG-Mitgliedern und Sympathisanten. Über Nacht hatte sich in Windeseile herumgesprochen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft der Ansicht waren, der Auslöser für die Ermordung des Bankers könnte eine drohende Zwangsversteigerung gewesen sein. Das verlieh der landesweiten Finanzmisere eine blutrünstige Note, und das sorgte für ein volles Haus.
Nach fast vierundzwanzig Stunden im Gefängnis hatte sich Lisa merklich beruhigt. Sie stand abwesend im Sicherheitsbereich für die Angeklagten und wartete auf ihre zweiminütige Anhörung. Zuerst versicherte ich ihr, dass sich ihre Schwester um ihren Sohn kümmern würde, und dann, dass Haller and Associates alles in ihrer Macht Stehende tun würden, um ihr die denkbar beste und effektivste Verteidigung zukommen zu lassen. Ihre vordringlichste Sorge war, aus dem Gefängnis zu kommen, um sich um ihren Sohn kümmern und ihr Anwälteteam unterstützen zu können.
Auch wenn die Anhörung in erster Linie nur der offiziellen Bestätigung der Anklagepunkte diente und das juristische Verfahren eröffnete, bot sie auch eine Gelegenheit, einen Antrag auf Haftbefreiung zu stellen. Und genau das hatte ich vor, denn meine Devise war, nichts unversucht und keinen strittigen Punkt unangefochten zu lassen. Hinsichtlich des Ausgangs war ich jedoch pessimistisch. Laut Gesetz musste eine Kaution festgesetzt werden. Tatsache war jedoch, dass sich
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