Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
stellen, in den Laptop und in die Ordner unverzüglich Einsicht nehmen zu dürfen, aber bis dahin hätte ich gern, dass Sie uns, so gut es geht, auflisten, was in den Akten und in dem Computer ist. Anders ausgedrückt, Lisa, was steht in diesen Dokumenten, das die Polizei veranlasst haben könnte, sie zu konfiszieren? Verstehen Sie, was ich meine?«
»Natürlich. Und ja, das kann ich gern machen. Ich werde gleich heute Abend damit anfangen.«
»Danke. Dann wäre da noch etwas, was ich Sie dringend fragen muss. Sie verstehen doch bestimmt, dass ich keine unangenehmen Überraschungen erleben möchte, falls wir in dieser Angelegenheit vor Gericht gehen. Ich möchte auf keinen Fall, dass plötzlich jemand aus der Versenkung auftaucht oder …«
»Warum haben Sie gerade falls gesagt?«
»Wie bitte?«
»Sie haben falls gesagt. Falls wir damit vor Gericht gehen. Von einem ›Falls‹ kann hier überhaupt keine Rede sein.«
»Entschuldigung. Ein Versprecher. Aber nur damit Sie es wissen, ein guter Anwalt hört sich ein Angebot der Anklage immer an. Weil einem solche Verhandlungen immer einen gewissen Einblick in die Beweislage der Staatsanwaltschaft verschaffen. Denken Sie also immer daran, dass ich einen Hintergedanken dabei habe, wenn ich Ihnen demnächst erzählen sollte, dass ich mit der Anklage über einen Deal verhandle, ja?«
»Okay, aber ich sage Ihnen jetzt schon, dass ich mich auf keinen Fall einer Tat, die ich nicht begangen habe, schuldig bekennen werde. Während hier alle versuchen, mir diesen Mord anzulasten, ist der Täter weiterhin auf freiem Fuß. Ich konnte einfach nicht schlafen letzte Nacht an diesem fürchterlichen Ort. Ich musste die ganze Zeit an meinen Sohn denken … ich könnte ihm nie mehr in die Augen schauen, wenn ich mich einer Sache schuldig bekennen würde, an der ich keine Schuld trage.«
Ich fürchtete, sie würde gleich den Wasserhahn aufdrehen, aber sie beherrschte sich.
»Das kann ich gut verstehen«, sagte ich leise. »Aber trotzdem, Lisa, da wäre noch eine zweite Sache, über die ich mit Ihnen sprechen muss: Ihr Mann.«
»Warum?«
Ich sah sofort die Warnlichter aufleuchten. Wir begaben uns auf gefährliches Terrain.
»Von dieser Seite könnten einige Überraschungen auf uns zukommen. Wann haben Sie zum letzten Mal etwas von ihm gehört? Könnte er etwas Nachteiliges über Sie aussagen, irgendwelche früheren Rache- oder Vergeltungsakte aufs Tapet bringen? Wir müssen wissen, was uns da blühen kann, Lisa. Ob es sich dann tatsächlich bewahrheitet, spielt keine Rolle. Wenn von dieser Seite Gefahr droht, muss ich es wissen.«
»Ich dachte immer, Ehepartner dürften nicht gegeneinander aussagen.«
»Dieses Vorrecht kann man geltend machen. Allerdings handelt es sich hier um eine Grauzone, und das umso mehr, als Sie nicht mehr zusammenleben. Deshalb möchte ich mich in dieser Hinsicht absichern. Haben Sie eine Ahnung, wo Ihr Mann zurzeit sein könnte?«
Ich hatte mich, was die rechtliche Situation anging, nicht ganz richtig ausgedrückt, aber ich musste mehr über den Mann in Erfahrung bringen, um mir ein besseres Bild von ihrer Ehe machen zu können und wie sie Lisas Verteidigung zugutekommen könnte oder auch nicht.
Bei einem getrennt lebenden Ehepartner musste man mit allem rechnen. Selbst wenn es einem gelang, ihn davon abzubringen, vor Gericht gegen seinen Noch-Partner auszusagen, hieß das noch lange nicht, dass man auch verhindern konnte, dass er außerhalb des Gerichtssaals mit der Staatsanwaltschaft kooperierte.
»Nein, nicht die geringste«, antwortete sie. »Aber ich nehme an, dass er früher oder später auftauchen wird.«
»Warum?«
Wie um zu zeigen, dass die Antwort auf der Hand lag, drehte Lisa die Handflächen nach oben.
»Weil damit Geld zu machen ist. Wenn er aus dem Fernsehen oder aus der Presse erfährt, was hier los ist, wird er bestimmt auftauchen. Darauf können Sie Gift nehmen.«
Diese Antwort überraschte mich, weil Lisa ihrem Mann damit unterstellte, ein Geldgeier zu sein. Aber ich wusste, dass er, egal, wo er gerade war, sehr wenig ausgab.
»Sie haben mir erzählt, dass er in Mexiko Ihre Kreditkarte überzogen hat.«
»Allerdings. In Rosarito Beach. Er hat die Visa-Karte mit viertausendvierhundert Dollar belastet und das Limit überschritten. Ich musste sie kündigen, obwohl es die einzige Karte war, die wir noch hatten. Nur habe ich damals dummerweise nicht bedacht, dass ich, nachdem ich sie einmal gekündigt habe, nicht mehr feststellen
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