Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Titel: Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
berechtigten Zweifels setzen, eine Hypothese der Unschuld anreißen. Ich beugte mich über meinen großen Holzschreibtisch und sah mein Team an.
    »Das ist unsere Verteidigungstheorie. Opparizio ist unser Sündenbock. Wir stellen ihn als den Schuldigen hin. Wenn sich die Geschworenen auf ihn einschießen, wird unsere Mandantin freigesprochen.«
    Ich blickte in ihre Gesichter und sah keine Reaktion. Ich ließ nicht locker.
    »Cisco, du nimmst dir Louis Opparizio und seine Firma vor. Beschaff mir alles, was du darüber herausfinden kannst. Firmengeschichte, Geschäftspartner, alles. Die Details der Übernahme. Ich will mehr über diesen Deal und diesen Mann wissen, als er selbst weiß, und bis Ende nächster Woche die Herausgabe der ALOFT-Unterlagen erwirken. Sie werden es anfechten, aber es wird schon mal für ein bisschen Aufregung sorgen.«
    Aronson schüttelte den Kopf.
    »Moment. Soll das heißen, das Ganze ist nur ein Vorwand, ein Trick der Verteidigung? Und dieser Opparizio war es gar nicht wirklich? Und was ist, wenn wir mit Opparizio richtigliegen und die Polizei mit Lisa Trammel falsch? Was ist, wenn sie tatsächlich unschuldig ist?«
    Ihr Blick war voll naiver Hoffnung. Ich lächelte und sah Cisco an.
    »Erklär du es ihr.«
    »Also, Mädchen, weil du noch neu bist in diesem Geschäft, wollen wir es dir mal nachsehen. Aber das ist eine Frage, die wir nie stellen. Es spielt keine Rolle, ob unsere Mandanten schuldig sind oder nicht. Sie bekommen alle das Gleiche für ihr Geld.«
    »Schon, aber …«
    »Da gibt es kein Aber«, sagte ich. »Wir reden hier von Verteidigungsstrategien. Von Maßnahmen, um unseren Mandanten die bestmögliche Verteidigung zukommen zu lassen. Und diese Strategien befolgen wir dann, und zwar völlig unabhängig davon, ob diese Mandanten schuldig oder unschuldig sind. Wenn Sie Strafverteidigerin werden wollen, ist es das, was Sie als Erstes in Ihren Kopf bekommen müssen. Man fragt einen Mandanten nie, ob er es war. Egal, ob die Antwort nun ja oder nein lautet, lenkt sie einen nur vom Wesentlichen ab. Deshalb braucht man das nicht zu wissen.«
    Ihre Lippen spannten sich zu einem dünnen, geraden Strich.
    »Wie gut kennen Sie Ihren Tennyson?«, fragte ich. »›The Charge of the Light Brigade‹?«
    »Was soll das hiermit …«
    »›Theirs not to reason why, theirs but to do or die.‹ Es steht ihnen nicht zu, nach dem Grund zu fragen, sie sollen nur handeln oder sterben. Wir sind die leichte Brigade, Bullocks. Wir treten gegen eine Armee an, die mehr Soldaten, mehr Waffen, mehr von allem hat. In den meisten Fällen läuft es auf ein Selbstmordkommando hinaus. Keinerlei Chance zu überleben. Ohne eine Chance zu gewinnen. Aber manchmal bekommt man einen Fall, in dem man eine Chance hat. Sie mag zwar sehr klein sein, aber es ist eine Chance. Deshalb nutzt man sie. Man greift an … und stellt keine solchen Fragen.«
    »Es heißt übrigens, glaube ich, ›do and die‹, handeln und sterben. Darum ging es doch in dem Gedicht. Sie hatten nicht die Wahl zwischen Handeln oder Sterben. Sie mussten handeln und sterben.«
    »Sie kennen also Ihren Tennyson. Mir gefällt ›do or die‹ besser. Die Frage ist doch, hat Lisa Trammel Mitchell Bondurant umgebracht? Ich weiß es nicht. Sie behauptet, sie hat es nicht getan, und das genügt mir. Wenn es Ihnen nicht genügt, ziehe ich Sie von diesem Fall ab und setze Sie wieder Vollzeit auf die Zwangsversteigerungen.«
    »Nein«, sagte Aronson rasch. »Ich will weiter mitmachen. Ich bin dabei.«
    »Sehr gut. Nicht allzu viele Anwälte können schon zehn Monate nach dem Examen als Vize einen Mordfall übernehmen.«
    Sie sah mich mit großen Augen an.
    »Als Vize?«
    Ich nickte.
    »Sie haben es sich verdient. Sie haben hier wirklich gute Arbeit geleistet.«
    Aber das Leuchten erlosch rasch.
    »Was ist?«
    »Ich verstehe nur nicht, warum man nicht beides haben kann. Sie wissen schon, voll hinter seiner Verteidigungsstrategie stehen und zugleich in Einklang mit seinem Gewissen handeln. Das Beste zu erreichen versuchen.«
    »Das Beste für wen? Den Mandanten? Die Allgemeinheit? Oder für sich selbst? Sie sind Ihrem Mandanten und dem Gesetz verpflichtet, Bullocks. So einfach ist das.«
    Ich sah sie lange an, bevor ich fortfuhr.
    »Kommen Sie mir bloß nicht mit so etwas wie Gewissen. Ich kenne das zur Genüge. Dabei ist noch nie was Vernünftiges rausgekommen.«

10
    N achdem ich den größten Teil des Tages damit zugebracht hatte, mich in meinem neuen Büro

Weitere Kostenlose Bücher