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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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daß man in der Lage ist, die Dinge zu finden.«
    »Was passiert, wenn man eine Erinnerung nicht oft genug abfragt? Gehen Erinnerungen verloren, wenn man sie nicht oft genug benutzt?«
    »Tja - ich glaube, wenn es keinen Protonenzerfall gibt und keine kosmischen Strahlen die Verbindungen zerstören, sind Erinnerungen immer da. Sie sind dann nur ... unauffindbar. Du mußt dir einen Erinnerungsverlust wie einen Waldbrand vorstellen. Es ist etwas Natürliches. Davor solltest du wirklich keine Angst haben. Denk mal an die Blumen, die auf eben verwüstetem Land wachsen.«
    »Dein Großvater hatte Alzheimer. Wußtest du das? Vielleicht sollte ich dir das gar nicht sagen.«
    »Doch, ich wußte es. Dad hat es mir vor Jahren erzählt. Ist es schnell gegangen?«
    »Schlimmer - langsam.«
    Misty freundete sich prompt mit einer vorbeilaufenden Joggerin an, die sich den Puls gefühlt hatte. Hunde haben es so leicht.
    Mom sagte: »Ich habe mich gefragt, ob unsere Zeit hier auf der Erde nicht vielleicht zu sehr in die Länge gezogen worden ist - durch die Wissenschaft - und ob es nicht vielleicht gar nicht so schlecht ist, abzutreten, bevor die 71,5 Jahre, die uns die Regierung garantiert, um sind.«
    »Mom, das ist doch nicht so ein ›Ich-habe-Krebs‹-Gespräch, oder?«
    »Gott, nein. Es ist nur so, daß ich bei der Arbeit all diese alten Menschen sehe, die so einsam und vergeßlich sind und so weiter - und da mache ich mir eben ein paar schwarze Gedanken. Das ist alles. Oje, hör dir bloß dieses Gejammer an. Wie egoistisch.«
    Mom ist beigebracht worden, daß die Probleme anderer Leute wichtiger seien als ihre eigenen. »Und ...?« fragte ich.
    »Und jetzt bin ich am Grübeln. Das ist alles.«
    »Worüber?«
    »Ich habe das Gefühl, ich verliere ... mich selbst. Das klingt so nach gelangweilter Hausfrau. Aber ich langweile mich nicht. Trotzdem habe auch ich Probleme.« Ich fragte sie, welche, aber sie erwiderte, über Probleme solle man besser nicht reden, und das ist vielleicht das Hauptproblem meiner Familie. »Ich werde bei einer metaphysischen Diskussionsgruppe mitmachen.«
    »Ist das alles?«
    »Findest du nicht, daß ich eine Meise hab'?« (Ich habe bisher noch nie erlebt, daß jemand das Wort »Meise« ohne Ironie verwendet, und es gab eine Satellitenverbindungspause, bevor ich sagen konnte: »Gott, nein!« Karla und ich haben schließlich auch fast jeden Abend eine metaphysische Diskussionsgruppe.)
    »Natürlich nicht.«
    D en zweiten Teil des Tages war ich auf »UMHERSTREIFEN« programmiert und bin mit Karla ein bißchen um diese herrliche Bucht herumgefahren. Die Freeways - sie sehen einfach toll aus - die 280, die über den Gipfel des großen Berges nach Norden führt, vorbei an all den Ausfahrten nach Pacifica und Daly City; das Autobahnkreuz, auf dem man von der 101 auf den Highway 92 nach Hayward und zur Half Moon Bay fährt. So sinnlich, so endlos, so vielversprechend. Wir gingen über die Pferdekoppeln - und spielten dabei In-Zeitlupe-über-die-Wiese-aufeinander-Zulaufen; wir amüsierten uns bei Molly Stone's in der California Street an der Bude mit dem computergesteuerten singenden Gemüse. Dann suchten wir ein italienisches Restaurant, in dem wir die klassische Spaghetti-Kußszene aus Susi und Strolch nachspielen konnten.
    B eim Essen redeten wir übers Chiffrieren. Ich fragte mich, wie wohl ein Text ohne Vokale aussehen mochte, und mir fiel ein, daß Michael, als Ethan ihn im Chili's-Restaurant kennenlernte, gerade eifrig dabei war, die Vokale auf der Speisekarte auszustreichen. Damit werde ich nachher mal ein Experiment machen.
    A be:
     
    Es hat heute aufgehört zu regnen, und da bin ich rausgegangen und auf dem Trampolin herumgehüpft. Aber es war nicht dasselbe wie damals, als Bug noch daneben stand und bis ins kleines Detail Quadripoligeia erklärte.
    Ich frage mich, ob ich vielleicht nicht mit genug Menschen pro Tag rede ... Ich habe immer so ein paar flüchtige Kontakte, aber eigentlich ist das nichts. Und die Menschen, die mir theoretisch nahestehen müßten, wie meine Familie ... mit denen rede ich auch über keine tiefgreifenden Sachen. Wie auch immer, zwischen uns ist es offenbar okay, Über so was zu sprechen. Das habe ich vorher eigentlich noch nie gemacht. Und manchmal fühle ich mich irgendwie verloren. Schau an - da hab' ich schon zuviel gesagt. Ich schick dir das, bevor ich's mir wieder anders überlege.
    G rillabend chez Mom und Dad.
    Wir redeten über die Consumer Electronics Show (CES),

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