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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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daß Türme auch bald passe sein werden. All diese Türme, die von ihrem eigenen Dahinscheiden träumen.
    D as Wetter draußen vor dem Hotelfenster war einfach mies, und der Schnee des letzten Winters wurde gerade von Zamboni-Räumgeräten zusammengeschoben und aufgeschüttet. Das erinnerte mich an diese antarktischen Packeis-Proben: Da werden Löcher ins Eis gebohrt, um festzustellen, aus welcher Zeit die darin eingeschlossenen, in der Vergangenheit gefangenen Gase und Pollen stammen. Vor meinem Fenster allerdings lagen zwei Schichten Ruß, eine Schicht Hundekacke, noch eine Schicht Ruß und noch eine Schicht Hundekacke. Gott, der Winter ist widerlich. Ich verstehe einfach nicht, wieso die Eskimos sich nicht vor lauter Langeweile auf Eisschollen treiben lassen. Oder nach Florida ziehen.
    K arla hat mir ein Fax geschickt: WENN DU HIER WOHNEN WÜRDEST, WÄRST DU JETZT ZU HAUSE. Und ich hatte solches Heimweh.
    CNN geschaut. Oop! programmiert.
    G edanke: Eines Tages wird das Wort »Gigabits« genauso klein wirken wie das Wort »Dutzend«.

SAMSTAG
    M ichael hat für mich ein Treffen mit StrichCode in einer Kneipe des Studentenverbands arrangiert. Angesichts der Möglichkeit eines fleischlichen Kontakts hat StrichCode online zugegeben, daß ... es, wie Michael vermutet hatte, Student (oder Studentin) ist - also zumindest kein 48jähriger Mann in Spaghettiträgerwindeln.
    »Da sei mal nicht so sicher, Daniel«, sagte Michael am Telefon in Kalifornien ohne einen Hauch von Besorgnis in der Stimme. »Es gibt ja schließlich auch reifere Studenten. Naja - wir können nur hoffen ...«
    Die Studentenkneipe von Waterloo ist besser als andere, die ich kenne. ›The Bomb Shelter‹: total schwarzes Interieur, an der Wand eine große gemalte Bombe, ein Großbildschirmfernseher, Videospiele, Billard und Air-Hockey.
    Die Außentemperatur betrug etwa 150 Grad minus, und die Studenten trugen dicke, jegliche Geschlechtsmerkmale verhüllende Sachen, um die Stürme flüssigen Heliums abzuhalten, die von der Hudson Bay herunterfegten. Ich dachte daran, wie ähnlich es Michael sah, sich in das Innere von jemandem zu verlieben, von dem er noch nicht mal das Äußere kennt. Ich setzte mich auf einen Stuhl an der Wand, trank ein paar Bier und fragte mich bei jedem, der vorbeikam, ob das vielleicht... es sei.
    Ich fing gerade an, ganz sentimental zu werden, mich einsam zu fühlen und Karla zu vermissen, als mich plötzlich - wie ein Alien aus Aliens - eine Hand von hinten an der Kehle packte und an die Wand riß. Mist! Mich so zu erschrecken! Es war eine kleine Hand, aber, Gott, sie war wie aus Stahl, und eine Stimme flüsterte mir ins Ohr, eine Mädchenstimme: »Red mit mir, Baby. Ich weiß, wer du nicht bist. Also sprich - gib mir ein Zeichen, schick mir einen Code -, sag mir, daß du du bist.« O Mann, ich hatte ein Rendezvous mit Catwoman ... mit einem Offiziellen Chyx-Armband!
    Mein Gehirn setzte aus. Nur ein einziges Wort fiel mir ein, Michaels Codewort für unser Treffen: »Scheibletten«, quiekte ich mit eingeklemmten Stimmbändern.
    Die Hand lockerte sich. Ich sah einen nackten Arm. Ich sah eine Strichcode-Tätowierung unter der Impfnarbe. Und dann, als sie mich losließ, vom Geländer kletterte und in meinem Sichtfeld auftauchte, sah ich endlich StrichCode: kleiner als Karla, muskulöser als Dusty und so tough angezogen, daß Susan dagegen wie eine Südstaatenschönheit aussieht: versiffte Daunenweste über einem schmierigen Halterneck-Top, Hot pants, Tankwartstiefel, mit einem stumpfen Schweizer Armeemesser geschnittenes Haar, beide Augen triefend vor verschmierter Wimperntusche und schmelzendem Schnee ... alles unter einer uralten handgestrickten Jacke im Kanada-Stil, in die vorn und hinten Forellen eingearbeitet waren. Sie war klein und drahtig und die natürliche Verkörperung all dessen, worin sich Karla, Dusty und Susan in ihrer Unsicherheit zu verwandeln versuchen. Sie war das aggressivste weibliche Wesen, das ich je gesehen hatte, und so jung - und Mann, sie hatte alles so IM GRIFF.
    Sie schaute nach rechts und nach links. Sie sah mir in die Augen. Sie sagte: »Du bist der Freund von Kraft-Scheibletten?« Ihre Augen verengten sich. »Du bist also hier, um mit mir zu reden? Warum ist er/sie nicht selbst gekommen?«
    »Es ist, äh... ein Er.. . Und ich sag' dir jetzt einfach die Wahrheit - ich bin hier, weil er dachte, du würdest ihn nicht mögen, wenn du ihn sehen würdest.«
    Sie zerschmetterte eine Flasche auf dem Boden und

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