Microsklaven
obwohl ich hoffe, daß das nicht der Fall sein wird.«
»Seit wann sendet ihr euch schon E-Mail, StrichCode und du?«
»Seit fast einem Jahr.«
»Weiß StrichCode, wer du bist? Was du bist?«
»Nein. Du kennst doch den Witz: Im Internet weiß niemand,
daß du ein Hund bist.«
»O Gott.«
»Du machst es!«
»StrichCode könnte sonst jemand sein, Michael.«
»Ich liebe ihr beziehungsweise sein Inneres jetzt schon, Daniel. Wir sind bereits miteinander verschmolzen. Ich werde das akzeptieren, was das Schicksal für mich bereithält.«
»Aber sag mir eins - wie kann man ein Jahr lang mit jemandem reden und nicht mal sein Alter oder Geschlecht kennen?«
»Ach, Daniel - das macht es doch so spannend.«
W ieder im Büro, machte ich erst mal einen Spaziergang mit Karla, um ihr gleich die ganze Geschichte zu erzählen, und sie sagte, das sei das Romantischste, was sie je gehört habe, und knutschte mich mitten in der Stadt, mitten auf der Straße ab. »Es ist sehr mutig von Michael, dermaßen blind zu lieben.« Als ich ihr sagte, daß das unter uns bleiben müsse, weil es Michael lieber sei, wenn Dusty und Susan nichts davon erführen, sah sie ein bißchen angesäuert aus, aber sie verstand es. Die beiden können wirklich gnadenlos sein.
S usan hat mir ein Dutzend Packungen »Ersatz-Glitzerhaar« gezeigt, die sie in der Barbie-Abteilung bei Toys-R-Us gekauft hat. Es war ziemlich gespenstisch - dieses tote falsche Haar in einer rosa Schachtel. Alle Chyx bekommen ein Offizielles Chyx-Armband, geknüpft aus befreitem Barbie-Haar in Pentium-Qualität, garniert mit einem kleinen Splitter von einem Block Silizium. Die Armbänder hat ein Freund von Emmett unten in Sunnyvale gemacht. »Wenn das nicht cool ist!« Susan hat bereits über 3.500 Chyx online. Es sieht also so aus, als gäbe es Chyx jetzt wirklich. CNN hat ihre Welt ganz schön verändert.
V erdrehte Zeit: Meine Ankunft hier ist schon Monate her. Wie lange ich hier bin? Kann ich nicht sagen. In drei Tagen fahre ich nach Waterloo.
DIENSTAG
I ch saß mit Mom irgendwo in Menlo Park im Auto, und plötzlich waren wir von ungefähr neun Porsches umzingelt. Es war einfach lächerlich. Und Mom sagte: »Als dein Vater und ich '86 hier herzogen und ich all diese Autos sah, dachte ich: ›Meine Güte, in dieser Gegend gibt es aber viele Drogendealer. ‹„
»Mom, hast du etwa für Dads IBM-Partys Drogen gekauft?« Mom aufzuziehen macht Spaß. Sie lächelte: »Ach, du weißt doch ... Ich schneide Zeitungsmeldungen aus.« Dieser kurze Wortwechsel erinnerte mich daran, daß Autos hier zwar einen anderen Stellenwert haben als bei Microsoft, es dabei jedoch nicht weniger hierarchisch und fetischistisch zugeht.
E than weiß nichts von meinem Kuppelauftrag. Er glaubt, ich führe nach Waterloo, um über den Kauf von ein paar Unterprogrammen zu verhandeln und möglicherweise einen neuen Mitarbeiter zu engagieren. Er ist zu uns nach Hause gekommen, um mir zu sagen, daß er mich nach Ontario begleite - er muß mit den Leuten bei CorelDraw in Ottawa reden. Sie bezahlen ihm den Flug, da werden wir nicht viel miteinander zu tun haben.
Ich sagte, das sei ja ein ungeahnter Zufall, aber da meinte Ethan, das sei nicht nur redundant (»ungeahnter Zufall«), sondern außerdem glaube er nicht an Zufälle, was ich für ein stillschweigendes Bekenntnis zur Religiosität halte. Ethan. Seltsam.
Er sagte, heute abend würde er es beweisen. Dann unterhielten wir uns über Nerd-Schulen und das Ende der Ära der »Einzeldosis«-Bildung - und das führte natürlich zu einer Liste der Schulen, die den besten Nerd-Ruf haben.
• Cal-Tac (Extrem-Nerds; das Jet Propulsion Lab ist gleich um die Ecke, nur den Berg rauf; angeblich mußten sie dort ein Bestanden-oder-Durchgefallen-Notensystem einrichten, weil es zu viele Selbstmorde in Verbindung mit dem Punktesystem gab)
• CMU
• MIT
• Stanford
• Rensselaer Polytechnic Institute (für die unteren Semester)
• Waterloo
• UC Berkeley
• Dartmouth
• Brown - »Hipster-Nerd-Schule mit einem guten Informatik-Kursangebot für die unteren Semester«
W ir sind rauf nach Redwood City gefahren und haben da in einer Bodega Electronic Darts gespielt ... Karla, Ethan und ich. Ethan und ich sind in der Vorstadt aufgewachsen, wir sind beide ziemlich gute Darts-Spieler (diese bekloppten Partykeller). Karla hatte bis heute abend noch nie Darts gespielt. Wie auch immer, es gab drei Darts pro Person und Runde. Ethan warf vier Quarter ein und
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