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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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wählte vier Spieler. Wir fragten ihn warum, und er erwiderte: »Das werdet ihr schon sehen.« Karla war als erste dran, ich als zweiter, Ethan als dritter, und die vierte Runde nannte Ethan die »Zufallsrunde«. In dieser Runde mußte jeder von uns, anstatt sich Mühe zu geben, den Dart auf einem Bein stehend, ein Bier trinkend oder rückwärts werfen ... so blöd wie möglich. Ministry of Silly Walks. Natürlich gewann die Zufallsrunde jedes Spiel, und immer mit mindestens 100 Punkten. Es war richtig unheimlich. Ethan sagte, Zufälligkeit sei eine brauchbare Umschreibung für ein Muster, das größer ist als alles, was wir intellektuell erfassen können. »Sich von der Zufälligkeit zu lösen ist eine der schwersten Entscheidungen, die ein Mensch treffen kann.« Ethan!
    I dentität. Ich bin Anhänger der Tootsie-Theorie: Wenn du es schaffst, dir ein überzeugendes zweites Ich fürs Net auszudenken, dann IST dieses zweite Ich wirklich du. Da es heutzutage so wenige Dinge gibt, die einem Menschen Identität verleihen, IST die Palette von Identitäten, die du im Vakuum des Net für dich erschaffst - die Auswahl an alternativen »Ichs« -, tatsächlich du selbst. Oder ein Isotop deiner selbst. Oder eine Fotokopie deiner selbst.
    Da wären wir wieder bei Kinkos's - fotokopiere dich selbst! Karla bemerkte, daß die Leute, als Fotokopierer neu auf dem Markt waren, immer ihren Hintern fotokopiert haben. »Jetzt, mit Computern, kopieren wir gleich unser ganzes Ich.«

DONNERSTAG
    E than flog Business Class und ich Economy. Wenn Oop! ihm den Flug bezahlt hätte, säße er bei all den sedierten Haustieren im Frachtraum.
    Ethan verschwand am Terminal, und kaum waren wir in der Luft, ging der blaue Vorhang runter, und Ethan tauchte erst wieder auf, als wir in Kanada ankamen. Ich powerbookte ein bißchen Code auf ThinkC und blieb dadurch produktiv. Diese Batterien sind so schwer! Sie saugen die Schwerkraft auf. Oralverkehr mit dem Planeten.
    Ich mußte daran denken, daß Nerds wirklich auf alles stehen, was nur im geringsten an Teleportation erinnert: Freeways, die Erste-Klasse-Lounge im Flughafen, Hotelzimmer mit Voice-Mail... alles, was Entfernungen auslöscht und das Reisen unsichtbar macht. Warum haken die Fluggesellschaften da nicht ein?
    Als wir nach der Landung in Toronto bei der Paßkontrolle anstanden, fragte Ethan mich: »Na, mein Lieber, wie war's auf der Hühnerfarm?« (Womit er die erstickend volle, beengte, elende Sphäre der Economy Class meinte; für die ganzjährig überfüllten Flugzeuge können wir uns bei den Computern bedanken.) Ich sagte: »Sehr schön, danke, Ethan. Ich hab' Salz- und Pfefferpäckchen als Souvenirs mitgenommen. Die tausche ich gern gegen deine Reuben-Kincaid-Schlafbrille.«
    »Tja, mein Lieber, das hättest du wohl gern.«
    Als Ethan seinen Paß hervorzog, segelte ein ganzes Bündel irakischer Banknoten wie ein tanzender Derwisch auf den Teppich - die hatte Susan in einem Briefmarkenladen in San Francisco gekauft und in seinen Paß gestopft, um ihn zu ärgern. Das war klasse; es war eine verspätete Reaktion darauf, daß Ethan vor zwei Monaten ein aufblasbares Hämorrhoiden-Kissen auf Susans Stuhl gelegt hatte, als ein Typ von Motorola, in den Susan sich verguckt hatte, zu Besuch war. Ethan sah das Kissen an, dann Mr. Motorola und sagte: »Ach - die arme Susan. Diese Schmerzen - das kann man sich gar nicht vorstellen.«
    In Kanada jedenfalls wurde Ethan prompt zur Körperöffnungsdurchsuchung entführt, während ich mich zu meinem mickrigen Anschlußflug nach Waterloo davonmachte. Ich mußte so tun, als würde ich Ethan nicht kennen, denn schließlich wollte ich DEM RAUM nicht auch noch einen Besuch abstatten müssen, vielen Dank.
    I ch schaute mir die Bordzeitschrift an, und auf den letzten Seiten gab es so eine Landkarte, auf der zu sehen war, wohin die Fluggesellschaft fliegt, und diese Karte sah aus wie eine Science-Fiction-Karte, die die Übertragung eines Virus von einem Ort zum anderen darstellt. All diese parabolischen Bogen von Stadt zu Stadt zu Stadt zu Stadt. Sollte der Marburg-Virus jemals mutieren und durch die Luft übertragen werden, hat UNSER LETZTES STÜNDLEIN GESCHLAGEN!
    K anada: Was für ein kaltes, kaltes Land. Vom Flugzeug aus sah ich unter mir das Licht des blauen Mondes auf weißem Schnee; Türme, Hochspannungsmasten, Scheinwerfer und blinkende Lichter; ein weites Land, über das hinweg man sich mit Hilfe von Elektronen zuschreien muß. Und ich mußte daran denken,

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