Microsklaven
Ungewöhnliches. Ich glaube, wir haben alle ein schlechtes Gewissen, weil wir nicht genug über Bug nachdenken, und dabei arbeitet er sehr hart und hat wirklich gute Ideen. Aber wir haben uns so sehr an seine Marotten gewöhnt, daß uns nie in den Sinn gekommen ist, auch er könnte ein Innenleben haben.
Ich fragte ihn: »Aber wozu dann der Elle-MacPherson-Schrein, Bug?«
»Ist nicht mehr. Im Moment hängt da Marky Mark, aber das ist nur eine Phase.«
»Mensch, Bug...« sagte Karla, »wie lange quälst du dich denn schon damit herum?«
»Schon immer.«
»Warum jetzt?«, fragte ich. »So spät erst?«
»Weil wir jetzt alle explodieren. Wir sind wie diese Samenkörner, die man in der dritten Klasse in Petrischalen auf so ein steriles Schleimzeug gepflanzt hat, um zu sehen, ob sie ausschlagen oder explodieren würden. Susan ist am Explodieren. Todd wird noch explodieren. Karla keimt sachte vor sich hin. Michael ist auch dabei, sich zu verändern. Es ist, als wären wir alle Samenkörner, die nur darauf warten, zu Bäumen oder Orchideen oder Zimmerpflanzen heranzuwachsen. Wer weiß? Oben im Norden war es dafür zu steril. Ich habe nicht gekeimt. Bist du gar nicht neugierig, was du in Wirklichkeit bist, Dan?« Ich dachte darüber nach. Eigentlich ist das nichts, worüber man nachdenkt.
»Jetzt kann ich ich sein - glaube ich«, sagte Bug. »Das Ganze ist nicht leicht für mich. Ich wiederhole - es ist nicht leicht für mich.«
»Heißt das, daß du dich in Zukunft besser anziehen wirst?« fragte Ethan.
» Ja, Ethan. Wahrscheinlich.« Tja, das war das.
Vielleicht ist er von jetzt an weniger miesepetrig. Karla und Susan haben gesagt, sie seien stolz auf Bug. Naja, man braucht wohl einigen Mumm für sowas. Er ist ein Spätentwickler - soviel steht fest. Und ich? Bin ich neugierig, was ich in Wirklichkeit bin? Oder bin ich einfach derart dankbar, kein totaler Versager zu sein, der absolut nichts vom Leben hat, daß mir das egal ist?
S itzsäcke: Wie seltsam, daß die immer noch ... ich weiß nicht... Teil dieser Welt sind.
D ad hat sich für einen Abendkurs in C++ angemeldet. Er bemüht sich, wieder einsetzbar zu werden.
S usans Schwester hat ihr per FedEx eine Tüte Pot geschickt. Sie hat das Zeug in Parfumstreifen aus Zeitschriften eingewickelt, um die Drogenhunde von FedEx zu überlisten. Sind die Dinger also doch mal zu was gut. Brillante Idee!
B ug hat recht. Wir fangen alle an, uns zu entfalten. Oder zu keimen. Oder was auch immer. Da fällt mir ein Dokumentarvideo über Embryologie ein, das wir in der Grundschule gesehen haben: Bis zu einem gewissen Punkt in ihrer embryonalen Entwicklung sehen alle Säugetiere gleich aus, und erst dann fangen sie an, Unterschiede herauszubilden und sich zu dem zu entwickeln, was sie einmal sein werden. Ich glaube, an diesem Punkt befinden wir uns jetzt.
SONNTAG
M ein Zeitgefühl ist ganz durcheinandergeraten. Das geht mir sonntags immer so. Ein Tag ist hier wie der andere, und doch ist jeder Tag irgendwie anders. Ich habe ein kleines Programm geschrieben, das ich jedesmal anklicke, wenn ich unterbrochen werde - zum Beispiel durch einen Anruf oder wenn jemand mir eine Frage stellt - oder wenn ich die Kassette in meinem Walkman wechseln muß. Die durchschnittliche Zeitspanne zwischen den Unterbrechungen beträgt 12,5 Minuten. Vielleicht trägt das zu meinem Zeit-Schisma bei. Ich habe Todd von diesen Unterbrechungen erzählt, und er sagte: »Ich arbeite immer noch 18 Stunden am Tag, wie bei Microsoft, aber anstatt immer nur dasselbe zu tun, mache ich jetzt hundert verschiedene Sachen - der Job hier ist unendlich viel besser. Vielfältiger. Die Vielfalt der Unterbrechungen macht's... Die Zeit funktioniert initiativ‹ statt passiv.« Dann fügte er hinzu, daß nach der christlichen Eschatologie (»die Lehre von den Letzten Dingen«) die Zeit und die Welt gleichzeitig enden und zwischen beiden eigentlich kein Unterschied besteht.
Dann bekam er plötzlich Angst, daß er dazu verdammt sein könnte, sich in seine Eltern zu verwandeln, und brauste los ins Fitneßstudio. Heute trainiert er den Oberkörper. Er trainiert immer abwechselnd Ober- und Unterkörper. Ohne Unterlaß. Oberkörpertag, Unterkörpertag; Bauchmuskeltag, Rückenmuskeltag - so nennt er seine Tage ... Manchmal bewundere ich, wie zielstrebig er sich um die Vervollkommnung seiner Muskulatur kümmert, und manchmal denke ich, er spinnt.
I ch habe etwas über ein paar Fischer gelesen, deren Netz sich vor der
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