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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Lego ausgegeben?« Sie war knallrot.
    Ethan sah mich an: »Michaels Sucht.«
    Auch ich war sprachlos. In diesem magischen Moment blickte ich zur Ecke hinüber - und ich bemerkte, daß auch Mom dort hinschaute - und sah ein kleines weißes Haus im hintersten Winkel, das aus der Wand wuchs, mit einem kleinen weißen Jägerzaun drumherum, dessen Bewohner zweifelsohne alles, was unter den Fenstern seines Hauses passierte, überblickte, und ich sagte »Oh, Dad, das ist - das Realste, was ich je gesehen habe.«
    U nd dann fragte ich mich, woher sollen wir wissen, welche Schönheit in den Menschen verborgen liegt, und auf welche wundersame Weise diese Welt diese Schönheit zum Vorschein bringt.
    W as jetzt kommt, schreibe ich nur deshalb auf, weil es passiert ist und ich krank bin und es nicht wieder vergessen will - falls ich aus Versehen den Speicher lösche. Ich brauche eine Sicherungskopie.
    A lso: Während alle anderen die Legoskulpturen bestaunten (und ihre neuen Arbeitsbereiche absteckten), verschwammen mir die Farben vor den Augen, und die Worte der anderen ergaben in meinem Kopf keinen Sinn mehr, und ich mußte runter auf die Straße gehen, um frische Luft zu schnappen, und so wankte ich aus der Tür.
    Es war ein heißer, sonniger Tag - ach, Kalifornien! -, und ich ging ziellos umher und landete schließlich auf der gleißenden Piazza der Palo Alto City Hall, wo ich im weißen Licht des reflektierenden Zements briet, während um mich herum Beamte auf dem kürzesten Weg zum Mittagessen in alle Richtungen durch die Gegend sausten. Ich hörte Autos vorbeifahren. Mein Körper konnte seine Temperatur immer schlechter regulieren, mir wurde abwechselnd heiß und kalt, ich wußte nicht mehr, ob ich Hunger hatte oder ob der Virus meinen Magen außer Betrieb gesetzt hatte, und ich hatte das Gefühl, daß ich jeden Moment zusammenklappen würde.
    In dieser Hitze und diesem Licht setzte ich mich auf die flachen Stufen vor dem Rathaus, mir war schwindelig, ich wußte nicht recht, wo ich war, und dann merkte ich, daß jemand neben mir saß, und das war Dad. Und er sagte: »Mir scheint, du fühlst dich nicht besonders gut, mein Sohn.«
    Und ich sagte: »Nnn ... nein.«
    Und er sagte: »Ich bin dir gefolgt. Ich war die ganze Zeit direkt hinter dir. Es ist die Grippe, nicht wahr? Aber es ist mehr als nur die Grippe.«
    Ich schwieg.
    »Stimmt's?« fragte er.
    »Ja.«
    »Ich bin ein junger Mann, Daniel, aber ich stecke nun mal in diesem alten Knochengerüst. Ich kann es nicht ändern.«
    »Dad ...«
    »Laß mich ausreden. Deshalb denkst du, ich wäre alt. Du denkst, daß ich die Dinge nicht verstehe. Daß ich nicht mitkriege, was um mich herum passiert - aber das tue ich. Und ich habe mitbekommen, daß ich mich dir gegenüber vielleicht zu distanziert verhalte - daß ich vielleicht nicht genug Zeit mit dir verbringe.«
    »FaceTime«, sagte ich und bereute den schlechten Witz im selben Moment, als er mir rausrutschte. »Ja. FaceTime.«
    Zwei Sekretärinnen gingen vorüber und lachten über einen Witz, den sie sich gerade erzählten, und ein Yuppie mit einem Stapel Akten lief an uns vorbei.
    Das Innere meines Kopfes schwappte von innen gegen meinen Schädel, wie bei einer Achterbahnfahrt. Ich hörte mich sagen: »Michael ist nicht Jed. Dad. Er ist es einfach nicht. Und ich bin's auch nicht. Und ich kann einfach nicht länger versuchen, mit ihm Schritt zu halten. Denn wie schnell ich auch laufe, ich werde ihn nie einholen.«
    »Ach, mein Junge ...«
    Da hing mir der Kopf bereits zwischen den Knien, und ich mußte die Augen geschlossen halten, weil mir das Licht von der Piazza zu sehr wehtat, und ich fragte mich, ob es Ethans Augen genauso ging, wenn er seine Antidepressiva genommen hatte, und dann dachte ich an ein kleines Plastikplanschbecken, in dem Jed und ich als kleine Kinder immer gespielt hatten, und ich glaube, mein Gehirn setzte aus. Und dann spürte ich die Arme meines Vaters um meine Schultern, und ich fing an zu zittern, und er zog mich an sich.
    Ich war zu krank, als daß Dads Worte richtig zu mir durchdrangen: »Du und deine Freunde, ihr habt mir einmal geholfen, als ich am Ende war. Eure ganze Truppe - eure zwanglose Liebe und Hilfe - hat mich gerettet, als kein anderer mich retten konnte. Und jetzt kann ich dir helfen. Ich war verloren, Daniel. Wenn du und deine Freunde nicht gewesen wären, hätte ich niemals die grünen Wiesen und die stillen Wasser gefunden. Ich hätte nicht diese innere Ruhe gefunden ...« Aber ich

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