Microsoft Word - Atlan 019 - Tödliche Tiefen.rtf
gefunden hätten. Die anderen Männer lehnten mit dem Rücken an der Wand, um so zusätzlich Halt zu finden.
Das Heulen und Rauschen wurde lauter. Sie fühlten deutlich, daß die Kabine absank, da die Energietornister der Druckanzüge jedoch die Schwerkraft auf 1,2 g hielten, machte sich die enorme Anziehungskraft von Phynokh noch nicht bemerkbar. Laut knackend schlossen sich die Schleusentore, und dann brach die Hölle los. Schlagartig wurde das Rauschen und Heulen der bewegten Luftmassen zum Lärmorkan. Die meisten Männer schalteten augenblicklich ihre Außenmikrophone aus. Dennoch hörten sie die Windgeräusche lauter als in ZONT-l. Gleichzeitig erhellten sich die Bildschirme.
Ronald Tekener konnte die schwarzen Metallstreben erkennen, in dessen Netz sich der Fahrstuhl bewegte. Die Umwelt war graubraun und verwaschen. Von der Landschaft tief unter ihnen war für mehrere Minuten nichts zu sehen, bis die Wolkenschleier plötzlich aufrissen.
Der Oberstleutnant hörte einige der Akonen in seinen Helmlautsprechern stöhnen.
“Vor einem halben Jahr war der Lift zum letztenmal unten”, sagte Bront von Okaylis. “Damals wehte nur ein leichter Wind. Man konnte weit über das Land sehen. Unten im Tal war die Ammoniak-See. Sie reichte bis zum Horizont.”
“Das war sicherlich ein etwas schöneres Bild als jetzt’, sagte Kennon mit einem ironischen Unterton.
Bront von Okaylis lachte leise.
“Das kommt ganz auf den Blickwinkel an”, antwortete er. “Für manche Lebewesen ist der Anblick eines Waldes auf einer Sauerstoffwelt unerträglich.”
Tekener stutzte, doch dann blieb ihm keine Zeit für eine Gegenbemerkung. Die Wolken rissen auf. Sie konnten Brocken aus gefrorenem Ammoniak erkennen, die von den tobenden Luftmassen an der Liftkabine vorbeigeschleudert wurden. Einige der Eisklumpen prallten gegen die Metallstreben. Sie rissen an einigen Stellen faustgroße Stahlsplitter heraus.
Schritt für Schritt kroch der Fahrstuhl zwischen den vier Schienen nach unten. Eine größere Geschwindigkeit war aus Sicherheitsgründen nicht möglich.
Staunend blickten die Männer auf die gewaltigen Stahlmasten, auf denen die Konstruktion der Lemurer ruhte. Viel deutlicher als sie es je in ZONT-1 hatten verfolgen können, sahen sie jetzt; wie der Turm schwankte. Tekener schätzte, daß die Spitze der Anlage um mindestens einhundert Meter ausschlug. Die Landschaft des Riesenplaneten schien zu taumeln und zu zittern, als schwimme sie als Eisscholle auf einer wildbewegten See.
Die ersten Rettungsstationen kamen in Sicht. Die vier Sektionen klebten als halbkugelige Schalen an den Terkonitstahlstreben. Tekener regulierte die Brennweite der Optiken, um die Stationen besser sehen. zu können. Sie machten auch bei entsprechender Vergrößerung noch einen guten Eindruck.
“Sie sind in Ordnung”, sagte Bront von Okaylis. “Vergessen Sie nicht, daß man den Fahrstuhl unter gewöhnlichen Umständen fast gefahrlos benutzen kann. Er wird sonst nur in Situationen wie diesen nicht eingesetzt.”
Ein Eisbrocken von mindestens einem Meter Durchmesser krachte dicht neben der Halbkugel in die Stahlstreben: Unter der Wucht des Aufpralls erhitzte sich das Ammoniak und versprühte, um sich dann jedoch sofort wieder zu Eis zu verdichten. Wie die Kugeln einer Maschinengewehrgarbe trommelten die Kristalle gegen den Hitzeschild.
Tekener richtete die Optik nach unten. Er konnte dort auch größere Eisbrocken erkennen. Sie wurden von den Gasmassen wie Federbälle herumgeschleudert. Unter ihnen wurde die Atmosphäre immer dichter. Ihre Situation war tatsächlich nur mit der von Tiefseetauchern zu vergleichen, bei deren Vorstoß in die Tiefe ebenfalls von Schritt zu Schritt der Außendruck stieg, bis er schließlich so stark wurde, daß ihm nur noch hochspezialisierte Panzertauchboote gewachsen waren. Doch die Transportgruppe stand noch erheblich größeren Problemen gegenüber als Taucher. Die Turbulenz der Gasmassen nahm hier in Bodennähe Ausmaße an, wie sie in keiner Tiefsee auftreten konnten. Die Windgeschwindigkeiten stiegen derart an, daß nichts dem Ansturm mehr gewachsen war. Die Tatsache, daß der Turm überhaupt noch stand, war ein überzeugender Beweis für die Baukunst der Lemurer.
Die zweite Rettungsstation kam in Sicht. Die Wolkenschleier verdichteten sich wieder, bis Tekener schließlich überhaupt nichts mehr erkennen konnte als hin und wieder einige dunkle Streifen. Sie entstanden, wenn Eisbrokken wie Meteore an ihnen vorbeischossen und sich
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