Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
Soldaten, die ängstlich abwarteten, was ihr König nun tun werde, würdigte er keines Blickes.
Menna war der erste, der auf den König zukam. Der Knappe zitterte und setzte mit Mühe Fuß vor Fuß.
Jenseits der zweiten Furt hastete das Hethiterheer mit seinen Verbündeten auf das große Tor der Festung Kadesch zu. Die Ägypter hatten keine Zeit mehr, Muwatalli und den Seinen den Weg zu versperren und ihn zu hindern, in Deckung zu gehen.
«Majestät», sagte Menna kläglich, «Majestät… wir haben gesiegt.»
Ramses hatte den Blick auf die Festung geheftet und glich jetzt einer Statue aus Granit.
«Der Anführer der Hethiter ist vor Deiner Majestät gewichen», fuhr Menna fort, «er hat die Flucht ergriffen. Du allein hast Tausende von Männern getötet! Wer vermöchte deinen Ruhm zu besingen?»
Ramses wandte sich um.
Zu Tode erschrocken warf Menna sich zu Boden, als schleuderte die vom Herrscher ausgehende Macht Blitze.
«Bist du’s, Menna?»
«Ja, Majestät, ich bin’s, dein Knappe, dein getreuer Diener! Vergib mir, vergib deinem Heer. Tilgt der Sieg nicht unsere Verfehlungen?»
«Ein Pharao vergibt nicht, getreuer Diener: er regiert und handelt.»
FÜNFUNDFÜNFZIG
DIE EINHEITEN AMUN und Re hatten schwere Verluste erlitten, die Einheit Ptah war geschwächt, doch unbeschadet geblieben war die des Seth. Tausende Ägypter waren tot, noch mehr Hethiter und Verbündete hatten ihr Leben gelassen, doch eines stand fest: Ramses hatte die Schlacht bei Kadesch gewonnen.
Muwatalli, Hattuschili, Uriteschup und einige ihrer Verbündeten, wie der Fürst von Aleppo, waren zwar noch am Leben und hatten sich in der Festung verschanzt, doch die legendäre Unbesiegbarkeit der Hethiter gehörte der Vergangenheit an. Viele der Fürsten, die sich auf die Seite des Herrschers von Hatti geschlagen hatten, waren ertrunken oder von Pfeilen niedergestreckt worden. Von nun an wußten große wie auch kleine Fürstentümer, daß Muwatallis Schutzschild nicht genügte, um sie vor Ramses’
Zorn zu bewahren.
Der Pharao hatte sämtliche überlebenden Offiziere wie auch die Generäle der Einheiten Ptah und Seth in sein Zelt gebeten.
Trotz der Freude über den Sieg lächelte niemand. Ramses auf seinem Thron aus vergoldetem Holz blickte drein wie ein zorniger Falke, der sich jederzeit auf seine Beute stürzen konnte, das war spürbar.
«Ihr alle hier Versammelten hattet Befehlsgewalt, wart verantwortlich für andere», erklärte er. «Ihr alle habt Vorteil geschlagen aus eurem Rang. Ihr alle habt euch wie Feiglinge benommen! Ihr, die gut genährten, gut untergebrachten, von Abgaben befreiten, angesehenen und beneideten Führer meiner Armee habt euch im Augenblick des Kampfes aus dem Staub gemacht, in Feigheit zusammengefunden.»
Der General der Einheit Seth trat einen Schritt vor.
«Majestät…»
«Wünschst du mir zu widersprechen?»
Der General trat zurück in die Reihe.
«Ich kann euch nicht mehr vertrauen. Morgen werdet ihr wieder fliehen und, sobald Gefahr droht, wie die Spatzen auseinanderstieben. Daher enthebe ich euch eurer Ämter. Ihr könnt euch glücklich preisen, in der Armee verbleiben zu dürfen, als Soldaten eurem Lande zu dienen, Sold und Versorgung im Alter zu erhalten.»
Keiner begehrte auf. Die meisten hatten mit einer strengeren Strafe gerechnet.
Noch am gleichen Tag ernannte der König neue Offiziere, ausgewählt unter den Männern der Hilfstruppen.
Gleich am Tag nach seinem Sieg setzte Ramses zum ersten Sturm auf die Festung Kadesch an. Hoch oben auf den Wehrtürmen flatterten die hethitischen Fahnen.
Die ägyptischen Bogenschützen vermochten nichts auszurichten: die Pfeile zerbrachen an den Zinnen, hinter denen die Belagerten Schutz suchten. Im Gegensatz zu anderen syrischen Festungen waren die Spitzen der Türme von Kadesch nicht zu erreichen.
Um ihren Kampfeswillen unter Beweis zu stellen, erklommen die Fußtruppen den Felssporn, auf dem die Festung errichtet war. Sie lehnten ihre Holzleitern an, doch die hethitischen Bogenschützen mähten sie nieder, und die wenigen Überlebenden waren gezwungen, aufzugeben. Drei weitere Versuche endeten ebenso erfolglos.
Am nächsten und übernächsten Tag gelang es ein paar Tollkühnen, bis zur Hälfte der Mauer hochzuklettern, doch dann beförderte ein Steinhagel sie vom Leben zum Tode.
Kadesch schien uneinnehmbar.
Mit finsterer Miene hatte Ramses seinen neuen Kriegsrat versammelt. Die Neuen, die in den Augen des Königs glänzen wollten, wetteiferten
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