Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
höchste Amt vorzubereiten.
Im Herzen des jungen Prinzen hatten die Angst und die Kraft, sie zu besiegen, miteinander gerungen. Und am Ende des Kampfs war ein Feuer nach der Art Seths aufgeflammt, das Sethos in einen Lehrsatz gefaßt hatte: «An das Gute im Menschen zu glauben ist ein Fehler, den ein Pharao niemals begehen darf.»
Im Hof vor dem überdachten Tempel stand eine mehr als vier Ellen hohe und mehr als zwei Ellen breite Stele aus Rosengranit. Hoch oben auf der Spitze thronte ein Tier, in dem Seth sich verkörperte: ein hundegestaltiges Wesen mit roten Augen, großen, aufgestellten Ohren und einer langen, nach unten gebogenen Schnauze. Noch nie hatte ein Mensch ein solches Wesen gesehen und wird es auch niemals sehen. Auf dem Gedenksteinsockel war der gleiche Seth in Menschengestalt dargestellt: auf dem Haupt eine spitz zulaufende Kappe mit Sonnenscheibe und zwei Hörnern. In der Rechten das
«Lebenszeichen», in der Linken das Zepter «Kraft».
Genannt war der vierte Tag des vierten Sommermonats des Jahres 400, betont die Zahl Vier: die gestaltenden Kräfte des Weltalls. Die in die Stele eingemeißelte Schrift begann mit einer Anrufung:
Verehrung dir, Seth, Sohn der Göttin des Himmels, dir, groß an Kraft, in der Goldbarke.
Dir, der du im Bug der Lichtbarke stehst und die Feinde des Re niederstreckst,
dir, dessen Stimme durch das All schallt!
Gestatte dem Pharao, deinem Ka zu folgen.
Ramses betrat den überdachten Tempel und sammelte sich vor dem Standbild Seths.
Die Kraft des Gottes schien ihm unerläßlich für den Kampf, den er zu führen gedachte.
Seth, der vier Regierungsjahre in vierhundert steinerne Jahre zu verwandeln vermochte, denn die Stele bezeugte den vierhundertsten Jahrestag der Gründung von Auaris, war er nicht derjenige, den man als Verbündeten gewinnen mußte?
In Amenis Schreibstube herrschte strenge Ordnung. Papyrusrollen in engen Lederhüllen steckten in schmalen Kruken oder stapelten sich in Holztruhen. Saubermachen durfte hier niemand, das erledigte er selbst mit peinlicher Sorgfalt.
«Ich wäre gern mit dir gezogen», verriet er Ramses.
«Dein Platz ist hier, mein Freund. Du wirst dich täglich mit der Königin und mit meiner Mutter besprechen. Und meinem Bruder Chenar, was immer er auch vorbringen mag, darfst du keinerlei Entscheidungsbefugnis überlassen.»
«Bleib nicht zu lange fort.»
«Ich habe vor, schnell und heftig zuzuschlagen.»
«Auf Serramanna wirst du verzichten müssen.»
«Wieso?»
Ameni erzählte von der Festnahme des Sarden. Ramses schien betrübt.
«Formuliere die Anklageschrift klar und deutlich», befahl er dann. «Sobald ich zurück bin, werde ich ihn verhören, dann wird er mir erklären müssen, was ihn zu diesem Handeln veranlaßt hat.»
«Ein Seeräuber bleibt eben ein Seeräuber.»
«Sein Prozeß und seine Bestrafung müssen ein Beispiel sein.»
«Ein Arm wie seiner wäre dir aber nützlich gewesen», sagte Ameni bedauernd.
«Er wäre mir in den Rücken gefallen.»
«Sind unsere Truppen wirklich kampfbereit?»
«Sie haben keine andere Wahl mehr.»
«Glaubst du, Majestät, daß wir eine begründete Aussicht auf Sieg haben?»
«Wir werden die Aufständischen unterwerfen, die in unseren Schutzgebieten Unordnung stiften, doch dann…»
«Befiehl mich an deine Seite, bevor du gen Kadesch ziehst.»
«Nein, mein Freund. Hier in Pi-Ramses bist du am nützlichsten. Sollte mir etwas zustoßen, wird Nefertari deine Hilfe benötigen.»
«Wir werden alles unternehmen, um weiterhin Kriegsgerät und Waffen herzustellen», versprach Ameni. «Ich habe… Ich habe Setaou und Acha gebeten, über deine Sicherheit zu wachen. Du könntest waghalsig sein, und Serramanna ist nicht bei dir.»
«Wenn ich mich nicht an die Spitze meines Heeres stellte, wäre es doch von vornherein geschlagen, nicht wahr?»
Ihr Haar war schwärzer als die tiefschwarze Nacht, lieblicher als die Frucht des Feigenbaums, ihre Zähne waren weißer als Gipspulver und ihre Brüste fest wie Granatäpfelchen.
Nefertari, seine Gemahlin.
Nefertari, die Königin von Ägypten, deren strahlender Blick die Beiden Länder beglückte.
«Nach meiner Begegnung mit Seth habe ich mit meiner Mutter gesprochen», erzählte Ramses vertraulich.
«Und was hat sie gesagt?»
«Sie hat mir von Sethos erzählt, von all den Stunden der Besinnung, die er sich gönnte, bevor er in einen Kampf zog, was immer der Anlaß dazu war, von seiner Fähigkeit, die Kräfte zu bündeln, auch wenn die
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