Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
ein Sandläufer. Er muß uns seine Anwesenheit noch erklären.»
So weit weg von seinen Stützpunkten, ein Beduine, der doch für gewöhnlich Karawanen entlang des Sinai beraubt… Setaou fand das sonderbar.
«Dein Löwe hat ihn ja schön zugerichtet.»
Das Gesicht des Verwundeten war schweißnaß, Blut floß ihm aus den Nasenlöchern, und sein Nacken war starr. Setaou fühlte den Puls und horchte das Herz ab, das so schwach schlug, daß die Diagnose leicht war. Der Sandläufer rang mit dem Tode.
«Kann er sprechen?» fragte der König.
«Seine Kiefer sind völlig verspannt. Aber vielleicht haben wir Glück.»
Setaou steckte dem Sterbenden ein mit Stoff umhülltes Holzröhrchen in den Mund und flößte ihm einen Trunk aus Zypressenwurzel ein.
«Diese Arznei müßte den Schmerz stillen. Wenn der Bursche kräftig ist, wird er noch ein paar Stunden leben.»
Der Sandläufer erkannte den Pharao. Entsetzt versuchte er sich aufzurichten, biß das Holzröhrchen entzwei und schlug mit den Armen wie ein flugunfähiger Vogel.
«Ruhe, mein Freund», riet Setaou. «Ich werde dich pflegen.»
«Ramses…»
«In der Tat, der Pharao von Ägypten möchte mit dir sprechen.»
Der Beduine starrte auf die blaue Krone.
«Kommst du vom Sinai?» fragte der König.
«Ja, das ist meine Heimat…»
«Warum hast du auf seiten der Syrer gekämpft?»
«Gold… sie hatten mir Gold versprochen…»
«Bist du Hethitern begegnet?»
«Sie haben uns einen Schlachtplan übergeben und sind abgehauen.»
«Waren noch mehr Beduinen bei dir?»
«Sie sind geflohen.»
«Ist dir ein Hebräer namens Moses über den Weg gelaufen?»
«Moses…»
Ramses beschrieb ihm den Freund.
«Nein, den kenne ich nicht.»
«Hast du von ihm gehört?»
«Nein, ich glaube nicht…»
«Wieviel Mann sind in der Festung?»
«Ich… ich weiß es nicht.»
«Lüg nicht.»
Völlig unerwartet packte der Verwundete seinen Dolch, reckte sich und versuchte den König zu töten. Mit einem Hieb auf das Handgelenk schlug Setaou dem Angreifer die Waffe aus der Hand.
Der Beduine hatte sich zu sehr angestrengt. Sein Gesicht verkrampfte sich, sein Körper spannte sich zu einem Kreisbogen, und dann brach er tot zusammen.
«Die Syrer haben sich mit den Beduinen zu verbünden versucht», erläuterte Setaou.
«Was für eine Torheit! Die würden sich doch niemals einigen können.»
Setaou kehrte zu den verwundeten Ägyptern zurück, um die Lotos und Pfleger sich bereits bemühten. Die Toten waren in Matten gewickelt und auf Wagen gelegt worden.
Unter Geleitschutz würde der Zug nach Ägypten aufbrechen, wo man den Wiedergeburtsritus für sie feiern würde.
Ramses tätschelte seine Pferde und seinen Löwen, dessen dumpfes Grollen einem Schnurren gleichkam. Zahllose Soldaten sammelten sich um ihren Herrscher, erhoben die Waffen gen Himmel und priesen den, der ihnen mit der Kühnheit eines erfahrenen Kriegers zum Sieg verholfen hatte.
Die Generäle bahnten sich einen Weg durch die Menge, um ihrerseits Ramses eilfertig zu beglückwünschen.
«Habt ihr in den umliegenden Waldstücken weitere Syrer ausfindig gemacht?»
«Nein, Majestät. Gestattest du, daß wir das Lager aufschlagen?»
«Ihr habt Besseres zu tun: Megiddo wieder einzunehmen.»
ACHTZEHN
GESTÄRKT VON EINEM gehäuften Teller Linsen, hatte Ameni die Nacht durchgearbeitet, um ein paar Stunden zu gewinnen und sich am nächsten Tag den Fall Serramanna abermals vornehmen zu können. Sobald sein Rücken schmerzte, berührte er den Binsenhalter aus vergoldetem Holz mit der Lilie auf der Spitze, den Ramses ihm zum Dienstantritt geschenkt hatte. Sofort wuchsen ihm neue Kräfte zu.
Seit ihrer Jugend bestanden zwischen Ameni und Ramses unsichtbare Bande: er spürte, ob Sethos’ Sohn in Gefahr war oder nicht. Schon mehrmals hatte der Tod die Schulter des Königs gestreift, und nur den magischen Kräften, über die Ramses verfügte, war es zu verdanken, daß das Unheil abgewendet wurde. Aber wenn dieser Schutzwall, den die Götter um den Pharao errichtet hatten, zusammenbräche? Würde seine Unerschrockenheit Ramses dann doch in den Untergang führen?
Und wenn Serramanna ein Stein aus dieser magischen Mauer wäre, hätte Ameni einen schwerwiegenden Fehler begangen, als er ihm die Erfüllung seiner Aufgabe versagte. Aber waren solche Gewissensbisse gerechtfertigt?
Die Anklage beruhte zum großen Teil auf der Zeugenaussage von Nenofar, die Serramannas Geliebte gewesen war. Daher wollte Ameni sie sich nochmals
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