Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
Verleihung des «Ehrengoldes» schon entgegenfieberten. Wen würde der Pharao auszeichnen, welche Beförderung durften sie erwarten? Mehrere Namen wurden genannt, und man hatte sogar schon Wetten abgeschlossen.
Als König und Königin sich am «Erscheinungsfenster» zeigten, hielten alle den Atem an. In erster Reihe zogen die Generäle auf, sich gegenseitig aus den Augenwinkeln belauernd.
Zwei Fächerträger standen bereit, die glücklichen Auserwählten unter das Fenster zu geleiten. Diesmal war das Geheimnis wirklich gewahrt worden: sogar die Klatschbasen des Hofes tappten im dunkeln.
«Zunächst soll der tapferste meiner Soldaten geehrt werden», erklärte Ramses, «der niemals gezögert hat, sein Leben einzusetzen, um das des Pharaos zu schützen. Tritt vor, Schlächter.»
Verängstigt traten die Anwesenden beiseite, um den Löwen durchzulassen, dem es irgendwie zu gefallen schien, daß aller Augen auf ihn gerichtet waren. Geschmeidigen Schrittes, sich in den Flanken wiegend, ging er auf das Erscheinungsfenster zu. Ramses beugte sich herab, strich ihm über die Stirn und legte ihm eine dünne Goldkette um den Hals, womit die Wildkatze in den Kreis der angesehensten Persönlichkeiten bei Hofe aufgenommen war. Befriedigt legte sich der Löwe nieder und nahm Sphinxhaltung ein.
Dann flüsterte der König den Fähnrichen zwei Namen ins Ohr.
Sie gingen um den Löwen herum, die Reihe der Generäle entlang, über die der höheren Offiziere hinaus, ja sogar über die der Schreiber und baten schließlich Setaou und Lotos, ihnen zu folgen. Der Schlangenkundige weigerte sich zuerst, doch dann nahm seine hübsche Gemahlin ihn bei der Hand.
Als die schlanke Nubierin, schwarz wie Ebenholz, an ihnen vorbeiging, waren selbst die Hochnäsigsten begeistert, aber für Setaou, diesen ungehobelten Klotz in seiner Antilopenhaut mit den unzähligen Taschen, konnte sich niemand erwärmen.
«Und nun sollen die beiden geehrt werden, die die Verwundeten gepflegt und zahllose Leben gerettet haben», erklärte Ramses. «Dank ihrer Heilkunst und ihres Einsatzes konnten tapfere Männer den Schmerz besiegen und nach Hause zurückkehren.»
Abermals neigte sich der König herab und legte Setaou und Lotos mehrere goldene Armreife ums Handgelenk. Die schöne Nubierin war gerührt, der Schlangenbändiger nörgelte.
«Ich beauftrage Setaou und Lotos mit der Leitung der Arzneikammer des Palastes», ließ Ramses sich wieder vernehmen. «Ihre Aufgabe soll es sein, Heilmittel, die aus Schlangengift hergestellt werden, zu vervollkommnen und darüber zu wachen, daß sie jedermann im ganzen Land zur Verfügung stehen.»
«Mein Haus in der Wüste war mir lieber», brummte Setaou.
«Bedauerst du es, uns näher zu sein?» fragte Nefertari.
Das Lächeln der Königin entwaffnete den Brummbart.
«Majestät…»
«Deine Anwesenheit im Palast wird dem Hof zur Ehre gereichen, Setaou.»
Die Generäle, obzwar ein wenig vor den Kopf gestoßen, enthielten sich wohlweislich jeden Einwands. Hatten nicht auch sie schon das eine oder andere Mal auf Setaous und Lotos’ Künste zurückgegriffen bei Verdauungs- oder Atembeschwerden? Und während des Feldzugs hatten der Schlangenkundige und seine Frau auch nie ihre Befugnis überschritten. Ihre Belohnung war nicht unverdient, wenn auch in den Augen der ranghohen Offiziere leicht übertrieben.
Nun fragte man sich, welcher der Generäle wohl eine Auszeichnung erhalten und zum Oberbefehlshaber des Heeres unter dem Befehl des Pharaos ernannt werden würde. Das war von großer Bedeutung, denn der Name des glücklichen Auserwählten würde auf die zukünftige Politik des Königs schließen lassen. Fiele die Wahl auf den dienstältesten der Generäle, so bedeutete das Tatenlosigkeit und Rückzugsgefechte, wurde aber der Anführer der Streitwagentruppe ernannt, so konnte man sich auf einen baldigen Krieg gefaßt machen.
Die beiden Fähnriche nahmen Acha in die Mitte.
Der noble, elegante, lässige junge Gesandte blickte voller Hochachtung zum königlichen Paar auf.
«Ich ehre dich, mein edler und treuer Freund», hob Ramses an, «weil deine Ratschläge mir kostbar waren. Auch du hast nicht gezögert, dich der Gefahr auszusetzen, und hast mich bewogen, meine Pläne zu ändern, als die Lage es erforderte. Der Friede ist wiederhergestellt, aber noch immer bedroht. Durch unser schnelles Eingreifen konnten wir die Aufständischen überrumpeln, aber was werden die Hethiter tun, die diesen Aufruhr angestachelt haben?
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