Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
übertragen: seinen Plan in die Tat umzusetzen, ohne seinen Sohn einzuweihen.»
Von der Terrasse seiner Dienstwohnung in der Oberstadt aus betrachtete Uriteschup den jungen Mond. Er barg das Geheimnis der Zukunft, seiner Zukunft. Daher sprach er ausgiebig mit ihm, vertraute ihm seine Sehnsucht an, die hethitische Armee zum Sieg zu führen und dabei jeden, der sich ihr in den Weg stellen würde, zu zertreten.
Der Sohn des Herrschers erhob eine Schale voll Wasser, in dem das Himmelsgestirn sich spiegelte. So hoffte er die Geheimnisse des Himmels zu durchdringen. Jeder Hethiter huldigte auf seine Art den Göttern, aber sich direkt an die Mondgöttin zu wenden barg Gefahren, denen sich nur ganz wenige auszusetzen wagten.
In ihrer Stille gestört, konnte sie zu einem gekrümmten Schwert werden und ihrem Angreifer die Kehle durchschneiden. Wer ihr aber Liebe bezeigte, dem war sie wohlgesinnt, der durfte kämpfen.
Uriteschup huldigte der ungetreuen und herausfordernden Königin der Nacht.
Über eine Stunde lang blieb sie stumm.
Dann kräuselte sich das Wasser und köchelte. Die Schale wurde glühend heiß, doch Uriteschup ließ sie nicht fallen.
Das Wasser beruhigte sich wieder. Auf der glatten Oberfläche zeichnete sich das Antlitz eines Mannes ab. Auf dem Kopf trug er die Doppelkrone Ober- und Unter
ägyptens.
Ramses!
Das verkündete die Schicksalsgöttin also Uriteschup: Er würde Ramses töten und Ägypten zu einer fügsamen Sklavin machen.
ZWEIUNDDREISSIG
IN EINEN DICKEN Umhang gehüllt, das Bärtchen tadellos gestutzt, begab der syrische Kaufmann Raia sich zu Amenis Amtsstube, wo er sofort vorgelassen wurde.
«Man sagte mir, du suchtest mich in der ganzen Stadt», erklärte Raia mit zaghafter Stimme.
«Das ist richtig. Serramanna hatte den Auftrag, dich mit oder ohne dein Einverständnis hierherzubringen.»
«Mit Gewalt… Ja, aber… Aus welchem Grund?»
«Ein schwerer Verdacht lastet auf dir.»
Der Syrer schien am Boden zerstört.
«Ein Verdacht… auf mir?»
«Wo hattest du dich versteckt?»
«Aber… Ich habe mich doch nicht versteckt! Ich war im Hafen, in einem Lagerhaus, wo ich eine Lieferung haltbarer Lebensmittel zusammengestellt habe. Als mir dieses unverständliche Gerücht zu Ohren kam, bin ich sofort hergekommen! Ich bin ein ehrlicher Kaufmann, seit Jahren in Ägypten ansässig und habe mir noch nie etwas zuschulden kommen lassen. Frag meine Umgebung, meine Kunden… Ich bin dabei, das sollst du ruhig wissen, meine Geschäfte auszuweiten und ein neues Frachtschiff zu erwerben. Meine Lebensmittel finden Anklang bei den besten Köchen, und meine kostbaren Vasen sind Kunstwerke, die die vornehmsten Häuser von Theben, Memphis und Pi-Ramses zieren… Ich beliefere sogar den Palast!»
Hastig hatte Raia dies alles vorgebracht.
«Deine kaufmännischen Fähigkeiten ziehe ich gar nicht in Zweifel», sagte Ameni.
«Aber… Was wirft man mir vor?»
«Kennst du eine gewisse Nenofar, ein leichtes Mädchen, wohnhaft in Pi-Ramses?»
«Nein.»
«Du bist nicht verheiratet?»
«Mich um eine Frau und eine Familie zu kümmern ließe sich mit meinem Beruf nicht vereinbaren.»
«Geliebte wirst du aber doch haben.»
«Mein Privatleben…»
«Antworte mir, es kann dir nur nützen.»
Raia zögerte.
«Ich habe ein paar Freundinnen, da und dort… Aber ehrlich gesagt ist mir bei meiner vielen Arbeit der Schlaf lieber als alles andere.»
«Du leugnest also, dieser Nenofar je begegnet zu sein?»
«Ja.»
«Gibst du zu, in Pi-Ramses ein Lagerhaus zu besitzen?»
«Natürlich! Ich habe im Hafenbereich ein großes Lager angemietet, das aber bald schon zu eng sein wird. Daher habe ich beschlossen, ein weiteres anzumieten, direkt in der Stadt. Schon im nächsten Monat werde ich es nutzen.»
«Wer ist der Eigentümer?»
«Renuf, ein ägyptischer Kaufmann. Ein redlicher Mann, ein ehrlicher Händler, der es in der Hoffnung gekauft hatte, seine Geschäfte auszuweiten, aber da er es doch nicht benötigt, hat er es mir zu einem anständigen Preis angeboten.»
«Ist es im Augenblick noch leer?»
«Ja.»
«Gehst du häufiger hin?»
«Ich bin erst einmal dort gewesen, mit Renuf, um den Mietvertrag zu unterschreiben.»
«In diesem Lager, Raia, wurde Nenofars Leichnam gefunden.»
Der Kaufmann schien wie erschlagen.
«Das arme Mädchen wurde erwürgt», fuhr Ameni fort, «weil es nämlich drauf und dran war, den Namen des Mannes zu verraten, der es gezwungen hatte, eine falsche Aussage zu machen.»
Raias
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