Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
entscheidender Stein in seinem Planspiel. Wie konnte er weitermachen, wenn er abgeschnitten war von den Hethitern?
Zwei Punkte beruhigten ihn immerhin.
In einer so entscheidenden Phase würden die Hethiter niemals auf ihr Spionagenetz in Ägypten verzichten. Sie würden Raia austauschen, und dessen Nachfolger würde sich ebenfalls an Chenar wenden.
Und dann war da noch Acha, und der hatte eine Ausnahmestellung. Er würde das Verteidigungssystem in den Schutzgebieten durchlöchern, Beziehungen zu den Hethitern knüpfen und Chenar davon in Kenntnis setzen.
Und dann gab es ja auch noch Ofir, den Magier, dessen Zauberkräfte vielleicht doch noch Wirkung zeitigen würden.
Alles in allem war Raias Mißgeschick für Chenar gar nicht so schlimm. Der syrische Spion würde sich schon aus der Schlinge ziehen.
Warmes ockerfarbenes Licht überflutete die Tempel in Pi-Ramses. Im Anschluß an die Sonnenuntergangsriten trafen Ramses und Nefertari sich vor dem im Bau befindlichen Tempel des Amun. Jeden Tag wurde die Hauptstadt schöner. Sie schien dem Frieden und dem Glück geweiht.
Das königliche Paar schlenderte durch den vor dem Heiligtum angelegten Garten: Persea, Sykomoren und Jujuben standen in Oleanderbeeten. Gärtner bewässerten die jungen Stämme und sprachen sanft auf sie ein, denn sie wußten, daß die Pflanzen sie genauso brauchten wie das nährende Wasser.
«Was hältst du von den Sendschreiben, die wir erhalten haben?»
«Sie sind mir nicht geheuer», erwiderte Nefertari. «Die Hethiter wollen uns blenden mit dem Trugbild eines Waffenstillstands.»
«Ich hatte gehofft, deine Einschätzung würde erbaulicher ausfallen.»
«Dich in die Irre zu führen wäre Verrat an unserer Liebe. Ich muß dir meine Sicht darlegen, selbst wenn sie die beunruhigenden Farben eines Gewitterhimmels trägt.»
«Wie soll man sich einen Krieg vorstellen, in dem unzählige junge Männer ihr Leben lassen müßten? Eine solche Vorstellung angesichts der Schönheit dieses Gartens.»
«Wir haben nicht das Recht, uns in dieses Paradies zu flüchten und den Sturm zu vergessen, der es zu vernichten droht.»
«Werden meine Truppen in der Lage sein, dem hethitischen Ansturm standzuhalten?
Zu viele Altgediente, die von einem ruhigen Alter träumen, zu viele unerfahrene junge Soldaten, zu viele Söldner, die nur an ihren Sold denken… Der Feind kennt unsere schwachen Punkte.»
«Kennen wir nicht auch die seinen?»
«Unsere Kundschafterdienste befinden sich in einer schlechten Verfassung, jahrelange Anstrengungen wären nötig, um sie schlagkräftig zu machen. Wir haben geglaubt, Muwatalli achte die von meinem Vater gesetzte Grenze, als er vor den Toren von Kadesch haltmachte, aber wie seine Vorgänger träumt auch dieser Herrscher nur von Landnahme, und eine schönere Beute als Ägypten läßt sich nicht denken.»
«Hat Acha dir einen Bericht gesandt?»
«Ich bin ohne Nachricht von ihm.»
«Du fürchtest um sein Leben, nicht wahr?»
«Ich habe ihm einen gefahrvollen Auftrag erteilt, der ihn zwingt, auf feindliches Gelände vorzudringen, um soviel wie möglich in Erfahrung zu bringen. Ameni verzeiht mir das nicht.»
«Wer hatte diesen Einfall?»
«Ich werde dich niemals belügen, Nefertari: ich, nicht Acha.»
«Er hätte ablehnen können.»
«Lehnt man einen Vorschlag des Pharaos ab?»
«Acha ist eine starke Persönlichkeit, er weiß sein Geschick zu wählen.»
«Wenn es ihm mißlingt, werde ich verantwortlich sein für seine Festnahme und seinen Tod.»
«Acha lebt für Ägypten, wie du. Wenn er nach Hatti geht, hegt er die Hoffnung, unser Land vor dem Untergang zu retten.»
«Von diesem Wunschbild haben wir eine ganze Nacht lang gesprochen. Wenn er mir entscheidende Auskünfte über die hethitischen Streitkräfte und ihr Vorgehen zukommen läßt, könnte es uns vielleicht gelingen, den Eindringling abzuwehren.»
«Und wenn du als erster angreifen würdest?»
«Auch daran denke ich… Aber ich muß Acha Handlungsfreiheit lassen.»
«Die Schreiben, die wir erhielten, beweisen, daß die Hethiter Zeit gewinnen wollen, vermutlich wegen innerer Zwistigkeiten. Man darf den richtigen Augenblick nicht verstreichen lassen.»
Mit ihrer wohlklingenden und süßen Stimme bekundete Nefertari die Unbeugsamkeit und Willenskraft einer Königin von Ägypten. Wie Tuja neben Sethos, so formte auch sie die Seele des Königs und stärkte seine Kraft.
«Wie oft ich an Moses denken muß! Wie würde er heute handeln, da es um das Überleben
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