Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
Hethiter wird die Grenze des Deltas überwinden!»
Der Tempel der Göttin Mut, der «Mutter», barg dreihundertfünfundsechzig Bildnisse der Löwengöttin Sachmet für die allmorgendlichen Besänftigungsriten und nochmals dreihundertfünfundsechzig für die Abendriten. Dorthin begaben sich die großen Ärzte des Reiches, um die Geheimnisse von Krankheit und Heilung zu ergründen.
Nefertari sprach die Ritualgebete, um die Wildheit der Löwin in Schöpfungskraft zu verwandeln. War ihr Wüten gebannt, vermochte sie die Elemente in Schach zu halten, die das Leben ausmachten. Die sieben Sachmet-Priesterinnen richteten all ihr Sinnen auf die Königin, die, indem sie sich als Opfer darbrachte, in der Finsternis der Kapelle, wo die gefürchtete Göttin thronte, Licht aufflammen ließ.
Die Oberpriesterin goß Wasser über den Kopf der aus hartem und glänzendem Diorit gemeißelten Löwin. Das Naß floß den Körper der Göttin hinab und wurde von einer Helferin in einer Schale aufgefangen.
Nefertari trank das heilende Wasser, nahm die magischen Kräfte Sachmets in sich auf, die ihr helfen würden, die Mattigkeit, die sich in ihre Glieder eingeschlichen hatte, zu bekämpfen. Dann verweilte die Große königliche Gemahlin noch einen Tag und eine Nacht bei der Löwin mit dem Frauenkörper, allein in dieser Stille und Dunkelheit.
Als sie später, voller Zärtlichkeit an Ramses’ Schulter gelehnt, über den Nil fuhr, fühlte Nefertari sich schon nicht mehr so beklommen wie in all den letzten Wochen.
Die Magie, die ihr aus der Liebe des Königs zuwuchs, war ebenso wirkungsvoll wie die der Göttin. Ein Wagen brachte sie dann zum «Herrlichsten der Herrlichsten», dem an einen Felsen gelehnten Terrassentempel der Königin Hatschepsut, die als Pharao regiert hatte. Vor dem Tempel erstreckte sich ein Garten, der mit Weihrauchbäumen aus Punt prunken konnte. Hier herrschte die Göttin Hathor, Göttin der Sterne, der Schönheit und der Liebe. War sie nicht die Verwandlung von Sachmet?
In einem der Gebäude der Tempelanlage suchten Kranke Genesung, indem sie mehrmals am Tag ein Bad nahmen oder sich in Dauerschlaf versenken ließen. Die Inschriften auf den Sockeln der Wannen, die das lauwarme Wasser enthielten, vertrieben die Krankheiten.
«Du mußt dir jetzt eine Weile Ruhe gönnen, Nefertari.»
«Aber meine Pflichten als Königin…»
«Deine erste Pflicht ist die, zu überleben, damit das königliche Paar Ägyptens tragende Säule bleibt. Die uns in die Knie zwingen wollen, versuchen uns zu trennen, um das Land zu schwächen.»
Der Garten des Tempels von Deir-el-Bahri schien einer anderen Welt anzugehören.
Das Blattwerk der Weihrauchbäume leuchtete unter der zarten Wintersonne. Ein ganzes Netz von Wasserrinnen, knapp unter der Oberfläche, sorgte für ständige, auf die Witterung abgestimmte Bewässerung.
Nefertari hatte das Gefühl, daß ihre Liebe zu Ramses immer noch größer wurde, daß sie sich ausspannte wie ein grenzenloser Himmel. Und der Blick des Königs bewies ihr, daß er ebenso verzückt war. Doch dieses Glück war zerbrechlich, so zerbrechlich.
«Du darfst meinetwegen nicht Ägypten opfern, Ramses. Sollte ich sterben, nimm Iset zur Großen königlichen Gemahlin.»
«Du lebst, Nefertari, und du bist es, die ich liebe.»
«Schwör es mir, Ramses, schwöre mir, daß einzig und allein Ägypten dein Handeln bestimmen wird. Ihm hast du dein Leben geweiht, nicht einem menschlichen Wesen, wer immer es sein mag. Von deinem Einsatz hängt das Leben eines ganzen Volkes ab und darüber hinaus noch der Bestand der von unseren Ahnen begründeten Kultur. Was würde denn ohne sie aus dieser Welt? Ausgeliefert wäre sie den Barbarenhorden, dem Gewinnstreben und der Ungerechtigkeit. Ich liebe dich mit all meinen Kräften, und mein letzter Gedanke wird dieser Liebe gelten, aber ich habe nicht das Recht, dich an mich zu fesseln, denn du bist der Pharao.»
Sie setzten sich auf eine Steinbank, Ramses preßte Nefertari an sich.
«Du bist die, die Horus und Seth im selben Wesen schaut», sprach er gemäß der seit der ersten Dynastie überkommenen Ritualformel für die Königin. «Durch deinen Blick lebt der Pharao, wird er zum Auffangbecken des Lichts, das er über die vereinten Beiden Länder breitet. Die Herrschaft meiner Vorgänger nährte sich aus dem Gesetz der Maat, aber keine war der anderen gleich, weil die Menschen ständig Hindernisse aufbauen. Dein Blick ist einzigartig, Nefertari: Ägypten und der Pharao brauchen
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