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Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Titel: Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dfg
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traurigem Gesicht an ihrer Seite stapfte, gar nicht aufgefallen. Erst als er sich in eine geometrische Figur verwandelte, eine Art schwach pulsierende Bienenwabe, wurde es unangenehm.
Dort links, fragte er. Ob da wohl etwas sei?
Humboldt warf einen kurzen Blick zur Seite. Nein.
Gut, sagte Bonpland.
Auf einer schmalen Plattform machten sie Pause, weil Bonplands Nase blutete. Beunruhigt schielte er nach der sehr langsam auf sie zuschwebenden Wabe. Er hustete und nahm einen Schluck aus seiner Messingflasche. Als das Bluten nachließ und sie weiterkonnten, war er erleichtert. Humboldts Uhr sagte ihnen, daß sie erst wenige Stunden unterwegs waren. Der Nebel war so dicht, daß es keinen Unterschied zwischen oben und unten gab: Wohin man sah, dasselbe durch nichts unterbrochene Weiß.
Jetzt reichte ihnen Schnee bis zu den Hüften. Humboldt stieß einen Schrei aus und verschwand in einer Verwehung. Bonpland grub mit den Händen, bekam seinen Gehrock zu fassen und riß ihn heraus. Humboldt klopfte den Schnee von seinen Kleidern und überzeugte sich, daß kein Instrument beschädigt war. Auf einem Steinvorsprung warteten sie, bis der Nebel dünner wurde und sich mit Helligkeit vollsog. Bald würde die Sonne durchbrechen.
Alter Freund, sagte Humboldt. Er wolle nicht sentimental werden, aber nach dem langen Weg hinter ihnen, in diesem großen Moment, müsse er doch einmal folgendes sagen.
Bonpland lauschte. Aber nichts kam mehr. Humboldt schien es schon wieder vergessen zu haben.
Er wolle kein Spielverderber sein, sagte Bonpland, aber etwas stimme nicht. Dort rechts von ihnen, nein, etwas weiter, nein, links, richtig, dort. Das Ding, das wie ein Stern aus Watte aussehe. Oder wie ein Haus. Er gehe wohl recht in der Annahme, daß das nur für ihn da sei?
Humboldt nickte.
Bonpland fragte, ob er sich Sorgen machen müsse.
Ansichtssache, sagte Humboldt. Es liege wohl am schwächeren Druck und der veränderten Zusammensetzung der Luft. Böse Miasmen könne man ausschließen. Übrigens sei nicht er hier der Arzt.
Sondern wer?
Berückend, sagte Humboldt, wie stetig die Dichte des Luftmeers nach oben hin abnehme. Wenn man es hochrechne, könne man ableiten, an welchem Punkt das Nichts beginne. Oder wo, des sinkenden Siedepunkts wegen, das Blut in den Adern anfange zu kochen. Was ihn selbst betreffe, so sehe er zum Beispiel seit einer ganzen Weile den verlorenen Hund. Er sehe zerzaust aus, und ihm fehle ein Bein und ein Ohr. Außerdem sinke er nicht im Schnee ein, und seine Augen seien sehr schwarz und tot. Es sei kein schöner Anblick, er müsse sich arg zusammennehmen, um nicht zu schreien. Und dauernd beschäftige ihn das Versäumnis, daß sie dem Tier keinen Namen gegeben hätten. Aber es sei nicht nötig gewesen, sie hätten doch nur diesen Hund gehabt, oder?
Er wisse von keinem anderen, sagte Bonpland.
Humboldt nickte beruhigt, sie stiegen weiter. Wegen der Felsspalten unter dem Schnee mußten sie langsam gehen. Einmal lichtete sich für Sekunden der Nebel, gab eine Schlucht neben ihnen frei und verhüllte sie wieder. Dieses Zahnfleischbluten, sagte Humboldt vorwurfsvoll zu sich selbst, das sei doch kein Zustand, schämen müsse man sich!
Auch Bonplands Nase blutete wieder, und in seinen Händen war trotz der Umwicklung kein Gefühl mehr. Er bat um Entschuldigung, sank auf die Knie und übergab sich.
Vorsichtig kletterten sie eine Steilwand empor. Bonpland fiel der Tag ein, als sie im Regen auf der Orinokoinsel festgesessen hatten. Wie waren sie eigentlich von dort weggekommen? Er konnte sich nicht erinnern. Gerade als er Humboldt fragen wollte, löste sich unter dessen Schuh ein Stein und traf ihn an der Schulter. Es tat so weh, daß er fast von der Wand gestürzt wäre. Er kniff die Augen zu und rieb sich Schnee ins Gesicht. Danach war ihm besser, obgleich die pulsierende Wabe noch immer neben ihm hing und, unangenehmer noch, die Steilwand jedesmal, wenn er an ihr Halt suchte, ein wenig zurückwich. Hin und wieder blickten ihn aus dem Fels Gesichter an, verwittert, mit abfälligem oder gelangweiltem Ausdruck. Zum Glück machte der Nebel es unmöglich, in die Tiefe zu sehen.
Damals auf der Insel, rief er. Wie seien sie eigentlich weggekommen?
Die Antwort blieb so lange aus, daß Bonpland die Frage längst wieder vergessen hatte, als Humboldt endlich den Kopf zu ihm drehte. Er wisse es beim besten Willen nicht. Wie denn?
Oberhalb der Steilwand zerriß der Nebel. Sie sahen einige Fetzen blauen Himmels und den Kegel der Bergspitze.

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