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Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Titel: Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dfg
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er sich, wartete, bis ein Student mit zittriger Hand, denn zunächst gelang es nicht, und er mußte es mehrmals versuchen, die Kerzen darauf angezündet hatte, und sagte dann mit trockener, hoher Stimme: Meinen Namen sollt ihr nicht wissen!
Ein Student weit hinten stöhnte auf. Ansonsten war es völlig still.
Der Bärtige hob den Arm, winkelte ihn an, wies mit der anderen Hand darauf und fragte, ob man erkenne, was das sei.
Keiner antwortete, keiner atmete. So sagte er es selbst: Muskeln.
Ihr Braven, fuhr er nach einer langen Pause fort, ihr Jungen, ihr Kraftvollen, ihr müßt stärker werden! Er räusperte sich. Denn wer denken wolle, tief und wesensberührend und bis zum Grund, habe den Körper zu straffen. Ein Denken ohne Muskeln sei schwach und matt, sei labbriges Franzosenzeug. Das Kind bete fürs Vaterland, der Jüngling schwärme, der Mann jedoch streite und leide. Er bückte sich und verharrte einen Moment, bevor er in rhythmischen Bewegungen sein Hosenbein hochkrempelte. Auch hier! Er klopfte mit der Faust an seine Wade. Rein und stark, felgaufschwungsfest, klimmzugshart, wer wolle, könne fühlen. Er richtete sich auf und stierte ein paar Sekunden in den Raum, bevor er mit Donnerstimme schrie: Wie dieses Bein sei, so müsse Deutschland werden!
Eugen brachte es fertig, sich umzusehen. Mehreren Zuhörern stand der Mund weit offen, vielen liefen Tränen über das Gesicht, einer hatte zitternd die Augen geschlossen, sein Nebenmann biß sich vor Erregung in die Finger. Eugen blinzelte. Die Luft war noch schlechter geworden, und durch das Schattenspiel der Fackeln war ihm, als wäre er Teil einer viel größeren Menge. Er bemühte sich, das in ihm aufsteigende Schluchzen zurückzudrängen .
Den Burschen, sagte der Bärtige, dürfe nichts beugen. Die Stirn dem Freund, die Brust dem Feind. Was das Volk bedränge, sei nicht Feindeskraft, sondern eigene Schwäche. Eingeschnürt sei es. Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Brust. Könne nicht atmen, könne sich nicht rühren, wisse nicht, wohin mit ureigenem Willen und braver Frömmigkeit. Fürst, Franzose und Pfaffe hielten es in Bann, in welscher Verzärtelung und Verlullung, im Daumenlutschschlaf. Burschentum aber, das sei: Zusammenstehen, keusch und fromm. Denken! Er ballte die Faust und klopfte sich an die Stirn. Ein Denken, dessen heiliges Eintrachtsband kein Teufel zerreißen könne. Endlich werde es doch zur wahren deutschen Kirche fuhren und das Sein bezwingen. Was aber heiße das, Burschen? Er streckte die Arme aus, ging langsam in die Knie und richtete sich wieder auf. Das heiße, den Körper fassen, den Körper schulen, durch Aufschwung, Abschwung, Klimmzug und Reckbeuge, bis der Kerl ein ganzer sei. Aber wo stehe man heute? Gerade erst, verborgen reisend, sei er Zeuge geworden, wie ein Greis und ein Student, ein deutscher Vater und sein Sohn, zwei treue Männer, polizeischikaniert worden seien, weil sie kein Papierzeug bei sich gehabt hatten. Beherzt habe er eingegriffen, wie ein Deutscher es müsse, habe gottlob den Tyrannenbüttel überwältigt. Täglich begegne man dem Unrecht, allenthalben und überall, wer solle ihm wehren, wenn nicht gute Burschen, die Alkohol und Weib entsagt und sich der Kraft gewidmet hätten, die Deutschlands Mönche seien, frisch und fromm, fröhlich und frei? Den Franzmann habe man vertrieben, nun sei der Fürst an der Reihe, die Unheilige Allianz werde nicht lange mehr stehen, die Philosophie habe die Wirklichkeit zu packen und durchzuwalken, Herrschartszeit noch einmal! Er hieb auf das Pult, und Eugen hörte sich und die anderen Hurra rufen. Der Bärtige stand ruhig und’ hoch aufgereckt, die stechenden Augen in die Menge gerichtet. Plötzlich änderte sich seine Miene, und er wich zurück.
Eugen spürte einen Luftzug. Das Geschrei erstarb. Fünf Männer waren hereingekommen: ein kleiner Alter und vier Gendarmen.
Großer Gott, sagte Eugens Nebenmann. Der Pedell!
Er habe es ja gewußt, sagte der alte Mann zu den Gendarmen. Man habe nur beobachten müssen, wie sie alle in Zweiergruppen losmarschiert seien. Zum Glück seien die so dumm.
Drei Gendarmen blieben vor den Stufen stehen, einer ging auf das Rednerpult zu. Der Bärtige sah plötzlich viel schmaler und auch nicht mehr groß aus. Er hob die Hand über den Kopf, aber die drohende Geste mißlang, und schon trug er Handschellen.
Er werde nicht weichen, rief er, während der Polizist ihn zu den Stiegen führte, dem Zwang nicht und keiner Bitte. Die wackeren Burschen

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