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Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Titel: Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dfg
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Schulter.
Müsse er schon, sagte Gauß. Wenn man ein Kotkerl sei, ein ehrloser Lippenbär, ein gieriger Scheißzwerg, solle man auch die Wahrheit vertragen können.
Das reiche jetzt, schrie Vogt.
Aber noch lange nicht, sagte Gauß.
Er werde morgen früh seine Sekundanten schicken!
Um Gottes willen, rief Humboldt, es sei alles ein Mißverständnis.
Die werde er rauswerfen, sagte Gauß. Schöne Tunichtgute müßten das sein, sich von einem Mistkäfer herumschicken zu lassen. Fußtritte könnten die sich holen, in den Arsch und anderswohin!
Mit gepreßter Stimme fragte Vogt, ob das heiße, der Herr verweigere ihm Genugtuung.
Na sicher. So weit komme es noch, daß er sich von einem Stinkmolch totschießen lasse!
Vogt öffnete und schloß den Mund, ballte die Fäuste und starrte an die Decke. Sein Kinn zitterte. Wenn er recht verstanden habe, so habe der Sohn des Herrn Professors Schwierigkeiten. Der Herr Professor solle nicht damit rechnen, seinen Sohn bald wiederzusehen. Er stolperte zum Garderobenständer, packte seinen Mantel, riß einen Hut an sich und rannte hinaus.
Aber das sei sein Hut, rief der Glatzkopf und lief ihm nach.
Das sei ja nun nichts gewesen, sagte Gauß schließlich in das Schweigen. Er warf noch einen langen Blick auf das Medium, dann schob er die Hände in die Taschen und verließ die Wohnung.
Ein schrecklicher Irrtum, sagte Humboldt, als er ihn auf der Treppe eingeholt hatte. Der Mann habe doch kein Geld gewollt!
Ha, sagte Gauß.
Ein hoher Beamte des preußischen Staates sei nicht bestechlich. So etwas habe es nie gegeben.
Ha!
Dafür lege er seine Hand ins Feuer!
Gauß lachte.
Sie traten ins Freie und stellten fest, daß ihre Kutsche weggefahren war.
Dann eben zu Fuß, sagte Humboldt. Es sei schließlich nicht weit, seinerzeit habe er ganz andere Entfernungen gemeistert.
Bitte nicht schon wieder, sagte Gauß. Er könne es nicht mehr hören.
Die beiden sahen einander wütend an, dann gingen sie los.
Es sei das Alter, sagte Humboldt nach einer Weile. Früher habe er jeden überzeugen können. Habe jede Blockade überwunden und jeden Paß bekommen, den er gewollt habe. Ihm habe niemand widerstanden.
Gauß antwortete nicht. Sie gingen schweigend nebeneinanderher.
Gut, sagte Gauß schließlich. Er gebe es zu. Klug sei das von ihm nicht gewesen. Aber es habe ihn nun einmal so geärgert!
Solch einem Medium gehöre das Handwerk gelegt, sagte Humboldt. So nähere man sich den Toten nicht. Ungebührlich sei es, dreist und vulgär! Er sei mit Geistern aufgewachsen und wisse, wie man sich ihnen gegenüber benehme.
Diese Laternen, sagte Gauß. Bald würden sie mit Gas funktionieren, dann werde die Nacht abgeschafft. Sie seien beide in einer zweitklassigen Zeit alt geworden. Was werde jetzt aus Eugen?
Ausschluß vom Studium. Wahrscheinlich Gefängnis. Unter Umständen könne man eine Verbannung arrangieren.
Gauß schwieg.
Manchmal müsse man akzeptieren, sagte Humboldt, daß man Menschen nicht helfen könne. Er habe Jahre gebraucht, um sich damit abzufinden, daß er nichts für Bonpland zu tun vermöge. Er könne sich deshalb nicht jeden Tag grämen.
Nur müsse er es Minna beibringen. Sie hänge ganz idiotisch an dem Jungen.
Was nun einmal fallen wolle, sagte Humboldt, das müsse man fallen lassen. Schön klinge das nicht, aber es sei nur die härtere Seite, die brutale gewissermaßen, des gelingenden Lebens.
Sein Leben liege hinter ihm, sagte Gauß. Er habe ein Heim, das ihm nichts bedeute, eine Tochter, die keiner wolle, und einen ins Unglück geratenen Sohn. Auch seine Mutter werde nicht mehr lange dasein. Die letzten fünfzehn Jahre habe er Hügel vermessen. Er blieb stehen und sah in den Nachthimmel. Alles in allem könne er nicht erklären, weshalb er sich so leicht fühle.
Er könne es auch nicht, sagte Humboldt. Aber ihm gehe es ähnlich.
Vielleicht sei dies und das noch möglich. Magnetismus. Geometrie des Raumes. Sein Kopf sei nicht mehr wie früher, aber doch noch nicht unbrauchbar.
Er sei nie in Asien gewesen, sagte Humboldt. Das sei doch kein Zustand. Auf einmal frage er sich, ob es nicht ein Fehler sei, die Einladung nach Rußland auszuschlagen.
Natürlich brauche er neue Mitarbeiter. Allein könne er es nicht mehr. Der ältere Sohn sei beim Militär, der Kleine noch zu jung, und Eugen falle aus. Aber dieser Wilhelm Weber habe ihm gefallen! Der habe auch eine hübsche Frau. In Göttingen werde eine Physikprofessur frei.
Einfach werde es nicht, sagte Humboldt. Die Regietung werde jeden seiner

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